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Escape

Escape

Titel: Escape
Autoren: Jennifer Rush
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Küchenmaschine.«
    »Dachte ich's mir doch.« Er wechselte seine Position, presste einen Arm über seinem Kopf gegen die Scheibe, damit er sich weiter herunterbeugen konnte. Zu mir. »Was treibt dich denn heute hier nach unten?«
    Ich probierte in Gedanken ein Dutzend möglicher Antworten aus. Ich wollte etwas Kluges sagen, etwas Originelles, etwas Interessantes. Wenn Trev mir diese Frage gestellt hätte, wäre meine Antwort »Ich brauch Ablenkung« gewesen und schon hätte er mich mit ein paar Zitaten seiner liebsten historischen Persönlichkeiten unterhalten. Oder wenn es Cas gewesen wäre, hätten wir uns eine Packung Stifte geteilt und alberne Zeichnungen an die Scheibe gemalt. Und Nick... Nun, Nick nahm mich äußerst selten zur Kenntnis, weshalb ich seinetwegen sicher niemals hergekommen wäre.
    Aber dies hier war Sam, also zuckte ich mit den Schultern und antwortete, was ich immer antwortete: »Ich kann nicht schlafen und wollte deshalb fragen, ob du Lust auf eine Partie Schach hast.«
    Ich fummelte unbeholfen mit den Händen vor meinem Bauch herum, während ich auf seine Reaktion wartete.
    »Dann hol das Brett«, sagte er schließlich. Ich wandte mich ab und lächelte dabei still in mich hinein.
    Ich suchte alles zusammen, was wir brauchten, und schob meinen Schreibtischstuhl vor die Scheibe. Er tat dasselbe auf seiner Seite. Ich baute einen kleinen Klapptisch auf und legte das Brett darauf, Sam bekam Schwarz, ich Weiß.
    »Kann's losgehen?«, fragte ich, woraufhin er nickte. Ich zog den Springer auf F3.
    Er musterte das Schachbrett, die Ellbogen auf die Knie gestützt. »Turm, D5.« Ich stellte seine Figur auf das gewünschte Feld. Es folgten ein paar hoch konzentrierte Züge, bis Sam fragte: »Wie war das Wetter heute?«
    »Kalt. Beißend kalt.« Ich setzte eine meiner Figuren. Weil er nicht sofort konterte, sah ich auf - direkt in seine Augen.
    Ihr schlichtes Grün ähnelte der Farbe von Flüssen und eigentlich waren sie nichts Besonderes. Das änderte sich jedoch schlagartig, wenn sie einen betrachteten. Sams Blick, in solch ruhigen Momenten wie diesem, brachte alles in mir zum Beben.
    »Was denn?«, fragte ich.
    »Der Himmel - mit welcher Farbe hättest du ihn gemalt?«
    »Azur. Dem Blau, das man fast schmecken kann.«
    Aus irgendeinem Grund hatte alles, was ich in Sams Gegenwart sagte oder machte, ein ganz anderes Gewicht. So als könnte seine bloße Anwesenheit meine Seele erschüttern, mich dazu bringen, dass ich. fühlte. Er genoss jedes noch so kleine Detail, das ich ihm erzählte, als wäre ich seine letzte Verbindung zu der Welt da draußen. Und auf gewisse Weise war ich das sogar.
    »Manchmal«, sinnierte er, »frage ich mich, wie sich die Sonne angefühlt hat.«
    »Du wirst sie wieder spüren. Eines Tages.«
    »Vielleicht.«
    Ich wollte erwidern: Doch, das wirst du auf jeden Fall, das verspreche ich dir, und wenn ich dich dafür eigenhändig befreien muss! Ich versuchte mir vorzustellen, wie es wohl wäre, die Codes einzutippen und sie alle laufen zu lassen. Ich könnte das. Unter Umständen würde ich damit sogar ungestraft davonkommen. Es gab hier im Labor nämlich weder Überwachungskameras noch Tonmitschnitte.
    »Anna?«, fragte Sam.
    Ich blinzelte und fokussierte wieder das Schachbrett vor mir. Hatte er mir seinen nächsten Zug genannt? »Entschuldige, ich war...«
    »Ganz woanders.«
    »Ja.«
    »Es ist schon spät. Wollen wir morgen weiterspielen?«
    Ich wollte gerade protestieren, doch ein Gähnen überraschte mich, bevor ich es unterdrücken konnte. »Also gut. Dann habe ich mehr Zeit, meine Strategie zu überdenken.«
    Er machte ein Geräusch, das irgendwo zwischen einem Lachen und einem Schnauben lag. »Viel Erfolg.«
    Ich schob den Tisch wieder in die hinterste Ecke des Raumes und machte einen Schritt Richtung Flur. »Dann bis morgen früh.«
    Das Licht aus dem Badezimmer fiel auf seine dunklen, kurz geschorenen Haare und gab ihnen einen Moment lang einen silbrigen Ton, bevor er zurückwich. »Gute Nacht, Anna.«
    »Gute Nacht.« Ich winkte noch kurz aus dem Vorraum, dann schob sich auch schon die Automatiktür zwischen uns und sofort spürte ich wieder diese Leere.
    So richtig gehörte ich nicht zu ihrer Welt, der Welt der Jungs. Aber genauso wenig gehörte ich in die echte Welt da draußen. Ich hatte keine Freunde, weil ich viel zu große Angst davor hatte, jemanden nah an mich heranzulassen. Was, wenn sie etwas über das Labor und die Jungs herausfanden? Ich wollte nicht der Grund
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