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Escape

Escape

Titel: Escape
Autoren: Jennifer Rush
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dafür sein, dass die Sektion das Projekt umsiedeln musste. Und ganz besonders wollte ich nicht riskieren, Sam zu verlieren. Selbst wenn unsere Beziehung nicht über Tests, das Labor, meine Zeichnungen und mitternächtliche Schachpartien hinausging, so konnte ich mir doch mein Leben ohne ihn nicht vorstellen.

2  
    Jeden Mittwoch machte mein Vater morgens einen Krug Zitronenlimonade - frisch gepresst mit viel Zucker - und ich backte Kekse. Das war unsere Tradition, und an Traditionen mangelte es bei uns sonst ein wenig.
    Das Eis klirrte im Glas, als Dad es mir reichte. »Danke«, sagte ich und nahm einen Schluck. »Perfekt.«
    Dad stellte den Krug in den Kühlschrank. »Schön, schön.«
    Ich rutschte auf dem Stuhl am Küchentisch hin und her, den Blick auf den Wald gerichtet, der an unseren Garten grenzte, bemüht, etwas zu finden, das ich noch sagen konnte. Irgendetwas, damit er noch eine Minute länger hierbleiben würde. Dad und ich waren beide nicht sonderlich gesprächig. Und in letzter Zeit schien uns nur noch die Arbeit im Labor zu verbinden.
    »Hast du heute schon Zeitung gelesen?«, fragte ich, obwohl ich genau wusste, dass er sie bereits gelesen hatte. »Mr Hirsch hat die Apotheke gekauft.«
    »Ja, hab ich gelesen.« Dad platzierte den Messbecher in die Spüle und fuhr sich dann mit der Hand über den Hinterkopf, um seine mittlerweile immer grauer werdenden Haare zu glätten. Das machte er oft, wenn er unruhig war.
    Ich setzte mich auf. »Was ist los?«
    Die Fältchen um seine Augen vertieften sich, während er beide Hände an die Kante der Spüle legte. Für einen Moment glaubte ich wirklich, er würde verraten, was ihn beschäftigte, doch dann schüttelte er nur den Kopf und sagte: »Nichts. Ich habe heute bloß einiges zu erledigen, deshalb gehe ich schon mal runter. Kommst du später nach? Nick muss heute wieder Blut abgenommen werden.«
    Dad gehörte nicht zu den Leuten, die anderen ihr Herz ausschütteten, deshalb zwang ich ihn auch nicht dazu, selbst wenn ich es gern getan hätte. »Klar, sobald ich mit den Plätzchen fertig bin.«
    »Gut.« Er nickte kurz, bevor er die Küche verließ. Dann hörte ich nur noch seine Schritte auf der Kellertreppe. Schon war unsere gemeinsame Zeit wieder vorbei. Dad ging vollkommen in seiner Arbeit auf, das hatte ich vor langer Zeit akzeptieren müssen. Trotzdem würde ich mich nie daran gewöhnen.
    Ich schnappte mir das Tagebuch meiner Mutter von der Arbeitsplatte, wo ich es nach dem Runterkommen hingelegt hatte. Darin hatte sie ihre Lieblingsrezepte, ihre Gedanken und alles, was sie inspirierend fand, aufgeschrieben. Im hinteren Teil des Buches befanden sich die Plätzchenrezepte. Außer diesem Buch besaß ich nichts von ihr, weshalb es mir so viel bedeutete wie kaum etwas anderes.
    Vor ein paar Monaten hatte ich angefangen, eigene Gedanken und Zeichnungen auf die noch freien Seiten zu kritzeln. Das hatte ich mich lange nicht getraut, weil ich fürchtete, das Buch damit zu verschandeln. So als würden meine Ergänzungen das zerstören, was schon da war. Doch auch ich hatte Ideen und Sehnsüchte und es gab nichts auf dieser Welt, wo ich sie lieber festgehalten hätte.
    Ich zeichnete mit den Fingern die alten Lebensmittelflecken auf den Seiten nach, während ich zum sicher millionsten Mal überflog, was sie in ihrer winzigen Schrift geschrieben hatte.
    Ich entschied mich für Cas' Lieblingskekse, Kürbisplätzchen mit Schokostückchen, schließlich hatte er seinen gestrigen Intelligenztest mit Bravour bestanden - und außerdem war es auch mein Lieblingsrezept.
    Nachdem ich die Zutaten zusammengesucht hatte, machte ich mich an die Arbeit. Ich konnte das Rezept zwar auswendig, las aber trotzdem jedes Mal wieder Moms Backanleitung und ihre Anmerkungen am Rand.
    Niemals künstliches Vanillearoma verwenden.
    Während der Feiertage Vorrat an Kürbispüree anlegen,
    die Geschäfte haben im Frühling und Sommer meist keins.
    Es schadet nicht, mehr Schokolade zu nehmen - niemals.
    Laut Dad hatte Mom Schokolade gegessen wie andere Menschen Brot.
    Sie war gestorben, als ich ein Jahr alt war, ich hatte sie also nie wirklich kennengelernt. Dad erzählte nicht oft von ihr, doch ab und zu löste sich eine Geschichte aus seiner Erinnerung. Dann lauschte ich ihm gebannt, sehr bemüht, keinen Mucks von mir zu geben, weil ich fürchtete, das kleinste Geräusch würde ihn wieder zum Verstummen bringen.
    Ich kippte die Schokostückchen in die Rührschüssel. Sie plumpsten in die Schicht
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