Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Titel: Es wird schon nicht das Ende der Welt sein
Autoren: Ali Lewis
Vom Netzwerk:
laut sagen wollen. Obwohl wir uns alle komisch vorkamen und keiner wusste, was er darauf sagen sollte, gefiel es mir. Mum redete nicht so oft von Jonny – keiner tat das, aber mir gab es das Gefühl, dass es in Ordnung war, an Jonny zu denken und jeden Tag sein Bild zu berühren. Aber Dad stand auf und ging weg. Er schaute keinen an und sagte auch nichts. Da hatte ich wieder so ein leeres Gefühl. Als ob es doch falsch wäre, an Jonny zu denken.

31
    DAD HATTE LLOYD NACH HAUSE GEHOLT, und wir durften uns alle den Verband an seinem Bein angucken. Der war echt groß, aber man konnte kein Blut sehen oder so. Als er sein Hosenbein hochrollte, sagte Lloyd, ich dürfe zusehen, wenn Mum den Verband wechselte. Sissy sagte, wir seien total eklig.
    Danach sagte Tante Ve zu Emily, sie solle Mum und Dad nicht stören. Sie machten sich für die Party fertig. Sie holte Emily ein großes Stück Tapete, auf das sie ein Bild von den Flaschenkälbern malen konnte, und Emily nahm es mit nach draußen. Sie beugte sich über den kleinen Tisch draußen im Schatten vor der Haustür, wo die Jungs zum Kaffeetrinken und Rauchen saßen. Elliot zeigte auf den Himmel auf ihrem Bild und fragte sie, was sie gemalt hatte. Emily hörte auf, das zu machen, womit sie gerade beschäftigt war, und guckte Elliot an, als ob er doof wäre. »Das ist Elaine«, sagte sie. Elliot lachte und sagte, dass Schweine fliegen könnten, hätte er ja schon gehört, aber Rinder doch nicht … Ich glaub, er wusste nicht, dass Elaine in der Kadavergrube war.
    Wir hörten alle, wie Alex drinnen wieder anfing zu brüllen, und Lloyd sah aus, als würde er von dem Geräusch Schmerzen im Kopf kriegen, die stärker waren als die in seinem Bein. Elliot stand auf und sagte: »Ich leg mich ein bisschen hin.« Er schüttete den Rest aus seiner Kaffeetasse auf den Boden. Ich glaub, nach dem Viehtrieb waren alle fix und fertig.
    Als Emily das Weinen hörte, stand sie sofort auf, um Sissy mit Alex zu helfen. Es war, als hätte sie ein neues Flaschenkalb oder so. Sie ließ ihr Bild liegen und rannte rein. Die Tapete rollte sich zusammen und der Wind erfasste sie, sie wehte auf den Boden. Lloyd bückte sich, um sie aufzuheben. Er rollte sie auseinander und schaute auf das Bild, das Emily gemalt hatte. Ich merkte, dass er es auch nicht kapierte. Er legte das Papier auf den Tisch und schob die Dose mit den Buntstiften drauf. Wir schauten beide auf, als wir einen Wagen auf den Hof einbiegen hörten. Es waren Mick und Gil Smith. Und da sagte Lloyd: »Die Schwiegerfamilie!« Das Auto fuhr vor, und ich sah, wie Gil mich anstarrte. Lloyd meinte, ich sollte lieber Mum und Dad holen.
    Mum und Dad waren beide mit Sissy im Esszimmer. Ich sagte ihnen, dass Mick und Gil draußen waren. Dad guckte Mum an und dann sahen sie beide Sissy an. Sie guckte aufs Tischtuch. Dad setzte seinen Hut auf und sagte: »Na dann, kommt.« Mum schaute Sissy an und sagte: »Du wartest hier mit Alex.« Sissy nickte. Die beiden gingen nach draußen zu Mick und Gil. Tante Ve bat Emily, ihr in der Küche zu helfen, und Sissy ging mit Alex in ihr Zimmer.
    Bis dahin hatte ich keine Gelegenheit gehabt, das Foto von Jonny zu berühren, also ging ich rüber zum Klavier. Ich hielt den Rahmen mit beiden Händen, und bevor ich es wieder hinstellte, berührte ich sein Gesicht mit der Nase. Das Glas fühlte sich kalt an und es beschlug von meinem Atem. Als ich meinen Daumen auf Jonnys Gesicht legte, hinterließ ich einen deutlichen Abdruck auf dem feuchten Fleck, der ihn wieder in den Brennpunkt rückte. Als ich mich umdrehte, war Tante Ve da. Sie sagte: »Vermisst du ihn, Danny?« Ich gab keine Antwort. Ich guckte sie an und dann auf den Fußboden. Sie sagte: »Ich nämlich schon.«
    Keine Ahnung, warum, aber einerseits war ich froh, dass sie mich beim Berühren des Bildes erwischt hatte, andererseits war es mir auch peinlich, sie so über Jonny reden zu hören. Ich zuckte die Achseln und sagte: »Ja, manche Sachen konnte er total gut, sich an Geburtstage erinnern und an die Nummern auf den Viehmarken.«
    Tante Ve lachte und setzte sich hin. Sie zog noch einen Stuhl unter dem Tisch raus und klopfte drauf, damit ich mich zu ihr setzte. Sie lachte darüber, wie Jonny mal in den See gefallen war und aus Versehen einen Krebs in seinem Hut gefangen hatte. Dann saßen wir beide eine Weile da und sagten nichts. Ich glaub, wir dachten beide einfach nur an Jonny. Erinnerten uns. Und da lächelte Tante Ve dann und sagte, es sei schön, von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher