Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Titel: Es wird schon nicht das Ende der Welt sein
Autoren: Ali Lewis
Vom Netzwerk:
Köter.«
    »Warum willst du es uns nicht sagen?«, fragte Mum. »Weiß er, dass du schwanger bist?«
    Ich glaub, Dad war es leid, auf eine Antwort zu warten, denn da hat er gesagt: »Verdammt noch mal, nun sag uns, wer es war. WER WAR DAS?« Ich nehm an, er hat auf den Tisch gehauen, denn es gab einen lauten Knall, und dann hat Sissy wieder angefangen zu heulen.
    Mum sagte: »Derek, lass gut sein«, zur selben Zeit schrammte ein Stuhl über den Dielenboden. Ich hörte Schritte und die Tür zu Sissys Zimmer knallte.
    Dad sagte: »Wenn ich den kriege … dann möge Gott dem kleinen Scheißer gnädig sein!«
    Mum sagte: »Ach, halt die Klappe, Derek!«
    Und dann hatten sie echt Streit. Ich zog mir die Bettdecke über den Kopf und stellte mir vor, ich hätte Jonnys Bild in der Hand.
    Danach schien Sissy noch mehr zu heulen als vorher. Sie kam kaum noch aus ihrem Zimmer – und wenn doch, dann gab es immer Streit zwischen Mum und Dad. Sissy war immer ganz okay gewesen, nicht so wie die Mädchen, die man im Fernsehen sieht, total bescheuert und nur an Sachen wie Puppen oder Schminke interessiert. Sie konnte besser Motorrad fahren als ich und schießen konnte sie auch ganz gut. Natürlich nicht so gut wie Jonny. Weiß auch nicht, irgendwie hat sie mir Sachen erzählt – so was, was mir sonst nie jemand erzählen würde. Sie war es, die es mir gesagt hat, als der Fliegende Doktor wegen Jonny gekommen ist – und dem ganzen Blut.
    Aber dann, nachdem sie schwanger geworden war, hat sich das alles geändert. Sie redete nicht mehr mit mir, nicht richtig. Sie redete mit niemandem richtig, vermute ich. Sie weinte immer nur. Sie flennte, als ich blöde Kuh zu ihr sagte, weil sie meine Kricketmale geklaut hatte. Nach denen hatte ich ewig gesucht, und dann hab ich festgestellt, dass sie damit die Tür vom Hühnerstall festgeklemmt hatte. Wenn ich früher so was zu ihr gesagt hab, hat sie mir den Arm umgedreht.
    Sowie sie was in der Röhre hatte, änderte sich alles. Ich durfte Sissy nicht mehr hauen, nicht mal wenn sie mich richtig nervte, zum Beispiel, wenn sie mir Essen vom Teller klaute. Vorher hätte ich ihr eine runtergehauen, ihr den Arm umgedreht oder so was, aber wegen des Babys kriegte ich schon Ärger, wenn ich sie beschimpfte. Dad sagte, ich müsse netter zu ihr sein, weil sie Mutter werden würde. Keine Ahnung, warum sich die Regeln plötzlich änderten, nur weil sie was in der Röhre hatte. Ich hab Dad gefragt, und er hat gesagt: »Tu’s einfach, okay?« Als ob ich derjenige wäre, der in Schwierigkeiten war.

2
    MANCHMAL, WENN MICH ALLE WÜTEND MACHEN , gehe ich in mein Zimmer und setze mich auf Jonnys Bett. Er war fünfzehn, als der Unfall passierte. Da hat alles irgendwie aufgehört. Na ja, nicht richtig aufgehört, aber es war ein bisschen so, wie wenn der Jeep drei platte Reifen hatte oder die Bank anrief oder was anderes schiefging. Immer wenn so was passierte, achteten wir darauf, nicht im Weg zu sein, bis Mum und Dad alles geregelt hatten. Wir machten uns irgendwie unsichtbar, damit sie sich nicht auch noch über uns ärgerten. Bei den meisten Sachen ging das ein paar Stunden so oder auch mal einen ganzen Tag, wenn es was Ernstes war, wie damals, als der Generator kaputtging. Nur bei Jonnys Unfall, da konnten sie es nicht wieder hinkriegen, deshalb blieben wir eine ganze Zeitlang unsichtbar.
    Darum wollte ich unser Zimmer genau so behalten, wie Jonny es gern gehabt hatte – so wie er es hinterlassen hatte. Keiner durfte seine Sachen anfassen. Keiner. Mum hat es ein Mal versucht. Ein paar Wochen bevor wir rauskriegten, dass Sissy schwanger war, kam sie in unser Zimmer. Sie wollte sehen, ob ich schmutzige Wäsche hatte, und als sie ein paar Sachen vom Fußboden aufsammelte, sagte sie, sie würde es für eine gute Idee halten, wenn wir anfingen, ein paar von Jonnys Sachen auszusortieren. Keine Ahnung, was sie damit meinte. Da gab es nichts zu sortieren, seine Sachen blieben, wo sie waren, so wie er es gern gehabt hatte. Als ich ihr das erklärte, legte sie die Sachen hin, die sie vom Boden aufgehoben hatte, und sagte, sie meine ja nicht, dass wir irgendwas wegwerfen sollten, nur die Bettwäsche wechseln und ein bisschen aufräumen. Ich bin aufgestanden und hab sie angebrüllt: »Auf keinen Fall.« Mum guckte mich einen Moment lang an, dann hob sie die Hände hoch und ging aus dem Zimmer. Ich glaub, sie wusste, dass ich recht hatte.
    Jonnys Unfall passierte etwa sechs Monate, ehe wir das mit Sissy und dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher