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Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Titel: Es wird schon nicht das Ende der Welt sein
Autoren: Ali Lewis
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versengt war, und drum herum ein paar Pflanzen. Auf die war Mum richtig stolz. Sie nannte sie Überlebenskünstler , weil sie trotz der Dürre nicht eingegangen waren. Wir hatten ewig keinen Regen mehr gehabt, deshalb konnten wir es uns nicht mehr leisten, den Schlauch anzustellen, um den Garten zu sprengen. Stattdessen kippte Mum das dreckige Wasser aus der Abwaschschüssel auf den Boden.
    Mum hatte den Hänger an den Wagen gekoppelt, wir wussten nämlich, wir würden so viele Sachen besorgen, dass nicht alles ins Auto passte. Den ganzen Weg zur Stadt mit Hänger zu fahren, hieß, es dauerte noch länger als sonst, mindestens vier Stunden. Der größte Teil der Reise ging über Wüstenstraßen, die eigentlich nichts anderes als Sandwege waren. Erst ein paar Meilen vor der Stadt kam man auf den Stuart Highway.
    Sissy war die Älteste, also durfte sie vorne bei Mum sitzen. Ich fand, wir sollten eine Münze werfen, aber ehe ich deswegen Streit anfangen konnte, brüllte Mum mich schon an: »Halt einfach den Mund und steig hinten ein, klar?« Ich versuchte zu erklären, dass ich überhaupt nichts gemacht hatte, aber Mum ließ mich nicht zu Wort kommen. »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?«, fragte sie.
    Vor Jonnys Unfall war Mum nicht so. Wir haben Ausflüge gemacht und was unternommen. Manchmal sind wir alle zum Schwimmen an den Clear Water See gefahren oder wir haben zusammen ferngesehen. Mum hat den Fernseher ins Esszimmer gerollt, sodass er Dad gegenüber am anderen Ende des Tisches stand, wie eine weitere Person. Das haben wir immer sonntags gemacht, damit wir uns diese Pommie-Sendung Last of the Summer Wine anschauen konnten, das war eine unserer Lieblingssendungen. Aber nach dem Unfall geschah das nicht mehr. Ich glaub, keiner wollte mehr übers Fernsehen lachen, wenn Jonny nicht mitlachen konnte.
    Während wir über die Sandpiste holperten, beobachtete ich, wie sich die Wüste veränderte, von sandigem Boden mit Büscheln von Spinnifexgras zu felsigerem Grund, wo alles braun und orangefarben und trocken war. Nach einer Weile veränderte es sich wieder, Flecken gelber Erde zwischen zerzaust aussehenden Witchettybüschen und Gummibäumen. Die Sonne stand hoch, als wir ein großes rotes Känguru überholten. Es war ganz allein, und ich fragte mich, wohin es wohl wollte.
    Es fühlte sich an, als hätte Sissy seit Wochen kein Wort mehr geredet, aber Emily machte das wett. Während wir fuhren, stellte sie Millionen von Fragen – was der Arzt im Krankenhaus mit Sissy machen würde, was eine Ultraschalluntersuchung war, wie lange die dauern würde, ob sie operiert werden müsste und ob sie sterben würde. Als sie das fragte, hielt Mum an und drehte sich um und redete mit Emily. Ich dachte daran, die Tür aufzumachen, rauszuspringen und von ihnen allen wegzulaufen, bis zurück zur Farm. Keine Ahnung, was mich davon abgehalten hat. Während ich den Blick starr auf die Wüste draußen gerichtet hielt, hörte ich zu, wie Mum Emily erzählte, dass keiner sterben würde. »Sissy bekommt ein Baby, die Ärzte wollen nur nachschauen, ob das Baby auch ganz bestimmt ordentlich wächst. Das ist alles.«
    Ich saß hinter Sissy und konnte sehen, wie eine Träne von ihrer Wange fiel und am Sicherheitsgurt runterlief. Sie weinte schon wieder. Mein Herz hämmerte, und ich dachte, mir würde die Brust explodieren, aber ich wartete, bis das Auto sich wieder in Bewegung setzte, ehe ich meinen Inhalator aus der Tasche holte und daran saugte.
    Als wir auf den Stuart Highway kamen, änderte sich das Geräusch, das die Reifen machten. Es klang leichter. Ich spürte meine Brust freier werden, irgendwie konnte ich wieder atmen. Wir fuhren nach Alice rein, und mir kam es so vor, als wären wir an einem ganz neuen Ort. Ich war noch nie in Übersee gewesen, aber ich fand, es fühlte sich ein bisschen so an, als wären wir in einem anderen Land. Überall waren Touristen. Die waren leicht auszumachen mit ihren glänzenden Sonnenbrillen. Sie schienen alle weiße Shorts zu tragen, Unterhemden und Flipflops. Der eine oder andere Blackfella gammelte auch herum, bettelte oder war dabei, sich volllaufen zu lassen. Als wir aus der Stadt rausfuhren, am Bach vorbei, wo die Blackfellas kampierten, war ich ein bisschen aufgeregt. Es war schon eine Weile her, seit wir Tante Ve besucht hatten, erst ein oder zwei Mal seit der Beerdigung.
    Ich mochte Tante Ve, aber sie sah irgendwie schlimm aus. Ihr Kopf war das einzig Normale an ihrem Körper, er saß
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