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Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Titel: Es wird schon nicht das Ende der Welt sein
Autoren: Ali Lewis
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Baby rauskriegten. Dass sie schwanger geworden war, bedeutete, dass alle Jonny zu vergessen schienen, als ob es ihn nie gegeben hätte oder so. Als ob sie nun eine Entschuldigung dafür hätten, nicht mehr an ihn zu denken. Damit sie ihn nicht vermissten, vermute ich. Es ging dann nur noch um sie und dieses Baby. Ich konnte es nicht ertragen. Ich wollte nicht, dass Jonny unsichtbar war. Auf dem Klavier stand ein Foto von ihm, und das berührte ich gern, jeden Tag, wenn es ging. Ich glaube, ich habe damit angefangen, weil ich mich daran erinnern wollte, wie er ausgesehen hatte. Weiß auch nicht, irgendwie fühlte ich mich dann besser. Genauso wenn ich all seine Sachen so ließ, wie er sie hatte. Wenn ich sie mir ansah, legte ich sie immer wieder an ihren Platz zurück. Ich brachte sie nie mit meinen Sachen durcheinander. Das wäre falsch gewesen, wie stehlen.
    Ein paar Tage nachdem wir das mit Sissy raushatten, schlich ich mich in die Küche, ich hoffte, mir ein paar Kekse holen zu können, ohne dass Mum mich erwischte. Aber ich kam nicht weit, weil sie nämlich da drinnen am Telefon saß. Sie war voll dabei, Tante Ve in Alice Springs ein Ohr abzukauen. Ich wusste, dass sie es war, denn sie ist die Einzige, die bei uns anruft. Ich drückte mich herum und überlegte, ob ich mich wohl in die Speisekammer schleichen könnte, ohne dass Mum es merkte. Und da erzählte sie Tante Veronica dann, dass Sissy schon im dritten Monat war, es müsse also irgendwann um Weihnachten passiert sein .
    Ich ging gerade auf den Boden runter und wollte zur Speisekammer robben, damit sie mich nicht sah. Da sagte Mum: »Keine Ahnung, wir können uns nicht vorstellen, dass es Elliot oder Lloyd waren – also wirklich? Das sind anständige Jungs, besonders Elliot.« Ich nehm mal an, Tante Ve kannte Elliot und Lloyd nicht so gut, denn auf keinen Fall konnten die es mit Sissy gemacht haben. Ging gar nicht. Schon weil die ein ganzes Stück älter sind als sie. Und dann wurde Mum wütend auf Tante Ve, ich blieb also, wo ich war, auf dem Bauch liegen und lauschte. Mum wurde nie wütend auf Tante Ve. Sie sagte so was wie: »Nur über meine Leiche, das könnten wir nicht, das können wir einfach nicht! Nach allem, was wir wegen Jonny durchgemacht haben. Ich kann nicht fassen, dass du so etwas vorschlägst – und das gilt auch für eine Adoption des Babys.« Das Baby adoptieren zu lassen, hielt ich für gar keine so schlechte Idee: Ich meine, schließlich machte es jetzt schon allen einen Haufen Stress und es war noch nicht mal geboren. Ich fand, schon lange hatte keiner mehr eine bessere Idee gehabt, aber ich glaub, Tante Ve muss sich entschuldigt haben für das, was sie da gesagt hatte, denn Mum beruhigte sich wieder und sagte, es tue ihr leid, dass ihr der Kragen geplatzt sei. Ihre Stimme wurde ganz leise, als sie sagte, sie würde nicht wissen, wie wir zurechtkommen sollten, wenn das Baby da war. Sie meinte, sie würde schauen, ob sie nicht weniger Stunden arbeiten könnte.
    Eine Zeit lang lauschte ich nicht weiter, ich überlegte noch immer, wie ich über den Boden bis zur Speisekammer rutschen konnte, wo die Kekse waren, ohne dass Mum mich entdeckte. Ich dachte daran, einfach draufloszustürmen, als Mum das Schlimmste sagte. Sie sagte, Sissy hätte sich keinen schlechteren Zeitpunkt aussuchen können, das Baby zu bekommen. »Der Viehauftrieb ist im selben Monat, in dem es kommen soll«, sagte sie.
    Der Viehauftrieb ist das Beste, wenn man eine Rinderzuchtstation hat. Da treibt man das gesamte Vieh zusammen und entscheidet, welche Rinder zum Schlachten gehen und welche noch ein Jahr auf der Station bleiben. Das passiert nur ein Mal im Jahr, und dieses war mein letztes, ehe ich wegging aufs Internat in Alice. Ich wollte nicht, dass Sissy und ihr Baby das kaputt machten. Ich konnte nicht anders, ich war so wütend, dass ich die Kekse ganz vergaß und aufsprang und Mum anbrüllte. Ich brüllte, es sei ungerecht, Sissy und dieses Baby machten alles kaputt. Ich brüllte, dass ich Sissy und ihr blödes Baby hasste. Mum schüttelte den Kopf über mich und sagte Tante Ve, sie solle mal kurz dranbleiben. Dann legte sie die Hand über den Hörer und sagte, ich solle aufhören, mich wie ein Baby aufzuführen, und in mein Zimmer gehen, dann drehte sie mir den Rücken zu und redete weiter mit Tante Ve. Ich hörte, wie sie sagte: »Ach, nichts – Danny hatte nur wegen nichts einen Anfall, wie üblich.« Das machte mich noch wütender. Ich stürmte los zu
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