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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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hätte fragen können, der Wagen war völlig leer und schlecht beleuchtet.
    Schließlich hielt der Zug und fuhr nicht weiter, das Mädchen musste aussteigen.
    Offenbar war sie auf einem großen Bahnhof angekommen, zu dieser Stunde menschenleer, die Lichter gelöscht.
    Ringsum war alles aufgewühlt, hässliche frische Gruben klafften, der Schnee hatte sie noch nicht zugedeckt.
    Es gab nur einen einzigen Ausgang, einen Tunnel, und das Mädchen trat hinein.
    Der Tunnel war dunkel, mit unebenem Boden, er führte nach unten, einzig von den weißen Kachelwänden ging Licht aus.
    Das Mädchen lief leichtfüßig immer tiefer in den Tunnel, sie berührte kaum den Boden, sie rannte wie im Schlaf an Gruben, Spaten und merkwürdigen Tragbahren vorbei, offenbar wurde auch hier gebaut.
    Dann war der Tunnel zu Ende, vor ihr lag eine Straße, und das Mädchen stieg schwer atmend an die Luft.
    Die Straße war ebenfalls leer und halb zerstört.
    In den Häusern brannte kein Licht, einige hatten nicht einmal Dächer und Fenster, nur Löcher, und in der Mitte des Fahrdamms versperrten provisorische Zäune den Weg: Dort war auch alles aufgebuddelt.
    Das Mädchen stand frierend in ihrem schwarzen Mantel am Rand des Bürgersteigs.
    Da fuhr plötzlich ein kleiner Lastwagen heran, der Fahrer öffnete die Tür: »Steig ein, ich bring dich nach Hause.«
    Es war derselbe Lastwagen wie zuvor, und neben dem Fahrer saß der Mann im schwarzen Kapuzenmantel, den sie schon kannte.
    Aber in der Zeit, in der sie sich nicht gesehen hatten, schien der Passagier dicker geworden zu sein, im Fahrerhaus war es jetzt sehr eng.
    Â»Hier ist kein Platz mehr«, sagte das Mädchen, als sie einsteigen wollte.
    Im tiefsten Innern war sie froh, dass sie auf wunderbare Weise ihre alten Bekannten wiedergetroffen hatte.
    Es waren die einzigen ihr bekannten Menschen in der neuen, merkwürdigen Welt, in der sie jetzt lebte.
    Â»Passt schon rein.« Der lustige Fahrer wandte ihr sein Gesicht zu und lachte.
    Sie fand tatsächlich Platz. Es blieb sogar noch ein Zwischenraum zwischen ihr und dem finsteren Nachbarn, er erwies sich als ganz dünn, nur sein Mantel war so dick.
    Das Mädchen dachte: Ich sage jetzt einfach, dass ich nichts mehr weiß.
    Auch der Fahrer war sehr dünn, anderenfalls hätten sie in diesem engen Fahrerhaus des kleinen Lastwagens nicht so viel Platz gehabt.
    Der Fahrer war sogar spindeldürr und hatte eine extreme Stupsnase, das heißt, er war grundhässlich, mit völlig kahlem Schädel, dabei aber sehr lustig: Er lachte unaufhörlich und bleckte seine Zähne.
    Man kann sogar sagen, dass er die ganze Zeit mit aufgerissenem Mund lautlos lachte.
    Der Mitfahrer versteckte noch immer sein Gesicht in den Falten der Kapuze und sprach kein einziges Wort.
    Das Mädchen schwieg ebenfalls. Worüber sollte sie auch reden?
    Sie fuhren über völlig leere und aufgegrabene nächtliche Straßen, die Leute schliefen bestimmt schon lange in ihren Häusern.
    Â»Wo willst du hin?«, fragte der Spaßvogel, übers ganze Gesicht grinsend.
    Â»Ich will nach Hause«, antwortete das Mädchen.
    Â»Wo ist das?«, wollte der Fahrer lautlos lachend wissen.
    Â»Also … Bis zum Ende der Straße und dann nach rechts«, sagte das Mädchen unsicher.
    Â»Und dann?«, fragte der Fahrer, der nicht aufhörte, die Zähne zu blecken.
    Â»Dann immer geradeaus.«
    So antwortete das Mädchen, im tiefsten Innern befürchtend, dass die beiden ihre Adresse wissen wollten.
    Der Lastwagen fuhr völlig geräuschlos, obwohl die Straße entsetzlich war, voller Schlaglöcher.
    Â»Wohin?«, fragte der Spaßvogel.
    Â»Danke, hier«, sagte das Mädchen und machte die Tür auf.
    Â»Und bezahlen?«, rief der Fahrer, der seinen lachenden Rachen unmäßig weit aufriss.
    Das Mädchen kramte in den Manteltaschen und fand wieder nur den Zettel, die Streichhölzer und den Schlüssel.
    Â»Ich habe kein Geld«, gestand sie.
    Â»Wenn du kein Geld hast, hättest du nicht einsteigen dürfen«, lachte der Fahrer laut. »Das erste Mal haben wir nichts verlangt, das hat dir offensichtlich gefallen, was? Los, geh nach Hause und hol Geld. Oder wir fressen dich, wir sind dünn und hungrig, los! Stimmt’s, unser Kopf ist leer?«, wandte er sich lachend an seinen Kameraden. »Wir ernähren uns von solchen wie dir.
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