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Es stirbt in mir

Es stirbt in mir

Titel: Es stirbt in mir
Autoren: Robert Silverberg
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und womöglich einer Frühlingsrolle dazu. Dann werde ich Odysseus als Symbol der menschlichen Gesellschaft oder auch Aischylos und die Tragödie des Aristoteles in Angriff nehmen. Diese beiden kann ich nicht aus meinen alten Schulaufsätzen abschreiben, doch allzu schwer dürften auch sie mir nicht fallen. Alte Schreibmaschine, du alte Schwindelmaschine, du kommst mir immer wieder gut zu statten.
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    Aldous Huxley war der Meinung, die Evolution habe aus unserem Gehirn einen Filter gemacht, der eine Menge Informationen, die für den alltäglichen Lebenskampf wertlos sind, einfach zurückweist. Visionen, mystische Erfahrungen, Psi-Phänomene wie etwa telepathische Übertragungen von anderen Gehirnen – wir würden von allen möglichen derartigen Dingen überflutet, gäbe es nicht die Funktion des, wie Huxley es in seinem Büchlein Heaven and Hell bezeichnete, ›zerebralen Reduktionsventils‹. Gott sei gelobt für das zerebrale Reduktionsventil! Hätten wir es nicht entwickelt, würden wir ständig durch Szenen von überirdischer Schönheit, durch spirituelle Einsichten von überwältigender Grandiosität und durch erschöpfenden, absolut ehrlichen Gedankenkontakt mit unseren Mitmenschen verwirrt. Zum Glück schützt uns davor – die meisten von uns jedenfalls – das Ventil, so daß wir unbelastet unser Leben führen, billig kaufen, teuer verkaufen können.
    Allerdings scheint das Ventil bei einigen von uns nicht so recht zu funktionieren. Ich meine Maler wie Bosch oder El Greco, deren Augen die Welt nicht sahen wie du und ich; ich meine die visionären Philosophen, die Ekstatiker, die nach dem Nirwana Strebenden; ich meine die bedauernswerten Ausnahmen, die in den Gedanken anderer Menschen lesen. Mutanten, einer wie der andere. Spielbälle der Genetik.
    Wie dem auch sei, Huxley war überzeugt, daß die Funktion des zerebralen Reduktionsventils mit Hilfe der verschiedensten Methoden gestört werden kann und daß dadurch auch gewöhnliche Sterbliche Zugang zu den außersinnlichen Informationen bekommen, die normalerweise wenigen Auserwählten vorbehalten sind. Die psychedelischen Drogen etwa, meinte er, hätten diesen Effekt. Meskalin wirkt seiner Meinung nach auf das Enzymsystem ein, das die Zerebralfunktion reguliert, und setzt so die Effektivität des Gehirns als Instrument zum Konzentrieren des Verstandes auf die Probleme des Lebens auf unserem Planeten herab. Dadurch… wird es bestimmten Gruppen mentaler Ereignisse ermöglicht, in das Bewußtsein einzudringen, Ereignisse, die normalerweise ausgesperrt bleiben, weil sie keinen Überlebenswert besitzen. Auf ähnliche Weise kann es infolge schwerer Krankheit oder Ermüdung vorkommen, daß biologisch wertloses, aber ästhetisch und manchmal auch geistig wertvolles Material eindringt. Oder dieser Zustand wird durch Fasten erreicht oder durch das Eingeschlossensein in einen Raum, in dem Dunkelheit und absolute Stille herrschen.
    Was David Selig selbst betrifft, so kann er nur wenig über psychedelische Drogen sagen, weil er damit nur einmal eine Erfahrung gemacht hat, und das war noch dazu keine sehr glückliche. Es geschah im Sommer 1968, als er mit Toni zusammenlebte.
    Obwohl Huxley sehr viel von den psychedelischen Drogen hielt, sah er in ihnen nicht die einzige Möglichkeit, visionäre Erlebnisse zu induzieren. Fasten und körperliche Kasteiung waren ebenfalls probate Mittel: Er schrieb von Mystikern, die sich selbst regelmäßig mit einer Peitsche aus verknoteten Lederriemen oder sogar aus Eisendraht geißelten. Diese Geißelungen entsprachen in ihrer Wirkung größeren chirurgischen Eingriffen, ohne Anästhesie, und ihr Einfluß auf die chemischen Vorgänge im Körper des Penitenten war beträchtlich. Große Mengen Histamin und Adrenalin wurden schon freigesetzt, während die Geißel noch geschwungen wurde; und wenn die so entstandenen Wunden zu schwären begannen (wie es vor dem Zeitalter der Seife praktisch immer der Fall war), fanden die verschiedensten durch die Dekomposition von Protein produzierten Giftstoffe ihren Weg in den Blutkreislauf. Histamin jedoch löst einen Schock aus, und ein Schock affiziert den Geist ebenso stark wie den Körper. Große Mengen von Adrenalin wiederum können Halluzinationen hervorrufen, und einige Produkte seiner Dekomposition induzieren, wie man weiß, Symptome, die denjenigen der Schizophrenie ähneln. Die Giftstoffe aus den Wunden stören das Enzymsystem, das das Gehirn reguliert, und setzen seine Wirksamkeit als
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