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Es ist nicht alles Gold was glänzt

Titel: Es ist nicht alles Gold was glänzt
Autoren: Jeffrey Archer
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Rose Rennick, auszuhändigen. Damit verließ er das Gebäude und suchte Adresse und Telefonnummer seiner ahnungslosen Wohltäterin heraus.
    Mrs. Rennick, eine Witwe, die ihren Lebensunterhalt aus den ihr von ihrem verstorbenen Mann hinterlassenen Investitionen bezog, bewohnte eine kleine Mietwohnung in der Park Avenue, einer der elegantesten Gegenden New Yorks. Sie war etwas überrascht, als ein gewisser Henryk Metelski anrief und bat, sie in einer dringenden Privatangelegenheit persönlich sprechen zu dürfen. Eine abschließende Erwähnung der Firma Haigarten & Co. flößte ihr etwas mehr Vertrauen ein, und sie erklärte sich zu einem Treffen im Waldorf-Astoria um 16 Uhr bereit.
    Henryk war nie zuvor im Waldorf-Astoria gewesen, aber nach vier Jahren bei der Börse gab es kaum ein Hotel oder Restaurant, das er nicht dem Namen nach aus den Unterhaltungen anderer Leute kannte. Er wußte, daß Mrs. Rennick viel eher dazu bereit sein würde, ihn dort zum Tee zu treffen, als dazu, einen Mann mit dem dubiosen Namen Henryk Metelski in ihrer Privatwohnung zu empfangen, zumal sein polnischer Akzent am Telefon deutlicher durchschlug als im persönlichen Gespräch.
    Als Henryk in dem mit weichem Spannteppich ausgelegten Foyer des Waldorf-Astoria stand, errötete er ob seiner Naivität in Fragen des Geschmacks, was Herrenbekleidung anbelangte. Er bildete sich ein, daß alle ihn anstarrten, und so vergrub er seine kurze, allzu füllige Gestalt in einem großen Ledersessel. Einige der anderen Gäste des Waldorf-Astoria waren ebenfalls reichlich füllig; allerdings war Henryk ziemlich sicher, daß in diesem Falle wohl eher Pommes de Terre Maître d'Hôtel im Spiel gewesen sein dürften als einfache Pommes frites. Es hatte keinen Sinn mehr zu wünschen, er hätte sein schwarzes gewelltes Haar mit etwas weniger Pomade traktiert, und zu bedauern, daß seine Absätze so schiefgetreten waren. Er kratzte an einem lästigen Pickel in seinem Mundwinkel. Sein Anzug, in dem er sich unter seinen Freunden so souverän und wohlhabend vorkam, spiegelte, saß allzu knapp, war billig und peinlich auffällig. Henryk paßte nicht in das vornehm-zurückhaltende Interieur des Hotels und noch viel weniger zu den anderen Hotelgästen. Zum ersten Mal in seinem Leben empfand er ein Gefühl der Unzulänglichkeit, und so verdrückte er sich sachte in den Jefferson Room, versteckte sich hinter einer Ausgabe des ›New Yorker‹ und betete, daß sein Gast bald kommen möge. Kellner flitzten devot um die reichbeladenen Tische herum und straften Henryk instinktiv mit hochnäsiger Verachtung. Einer von ihnen war ausschließlich damit beschäftigt, im Raum herumzugehen und mit einer weißbehandschuhten Hand elegant Zuckerstückchen mit einer Silberzange anzubieten: Henryk war zutiefst beeindruckt.
    Einige Minuten später erschien Rose Rennick mit zwei kleinen Hunden und einem unbeschreiblichen Hut. Henryk stellte fest, daß sie über sechzig, übergewichtig, übermäßig aufgemacht und übertrieben angezogen aussah. Aber sie besaß ein warmes Lächeln, und sie schien jedermann zu kennen, wie sie von Tisch zu Tisch ging und mit den Stammgästen der Waldorf-Astoria-Teestunde jeweils ein paar Worte wechselte. Schließlich erreichte sie den Tisch, den sie richtig als den Henryks erraten hatte, und war bei dessen Anblick reichlich betroffen – nicht nur, weil seine Kleidung sie seltsam berührte, sondern weil er sogar noch jünger aussah als die achtzehn Jahre, die er zählte.
    Mrs. Rennick bestellte Tee, während Henryk seine Geschichte erzählte: Wie da ein unglücklicher Fehler mit ihrem Scheck unterlaufen sei, der am Tage zuvor versehentlich seiner Firma gutgeschrieben worden wäre. Seine Firma hatte ihn nun angewiesen, den Scheck mit dem Ausdruck ihres Bedauerns unverzüglich an Mrs. Rennick zurückzugeben. Daraufhin überreichte er ihr die Zahlungsanweisung über 50.000 Dollar und erklärte, er würde seine Stellung verlieren, wenn sie darauf bestünde, die Angelegenheit weiterzuverfolgen, da er allein für den Irrtum verantwortlich sei. Tatsächlich war Mrs. Rennick erst an diesem Morgen vom Fehlen des Schecks in Kenntnis gesetzt worden und wußte nichts von dessen Einlösung, da besagter Vorgang erst einige Tage später auf ihrem Kontoauszug aufgetaucht wäre. Henryks durchaus echte Beklemmung, als er diese Geschichte herunterstotterte, hätte selbst einen kritischeren Beobachter der menschlichen Natur als Mrs. Rennick getäuscht. Sie war sofort
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