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Es ist nicht alles Gold was glänzt

Titel: Es ist nicht alles Gold was glänzt
Autoren: Jeffrey Archer
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von seinen Lehrern wegen seiner völligen Gleichgültigkeit gegenüber den bewegenden Geschichten vom Unabhängigkeitskrieg und von der Freiheitsglocke und wegen der Kontrolle, die er über den schwarzen Markt in leichtem Rauschgift und Alkohol unter den Schülern ausübte. Klein-Henryk teilte nicht die Ansicht, daß die besten Dinge im Leben umsonst zu haben seien, und die Jagd nach Geld und Macht war für ihn etwas so Natürliches wie das Jagen von Mäusen für eine Katze.
    Als Henryk zu einem pickeligen Vierzehnjährigen erblüht war, starb sein Vater an einer Krankheit, die wir heute unter dem Namen Krebs kennen. Seine Mutter überlebte den Tod ihres Mannes nur um wenige Monate, und dem einzigen Kind blieb es nun überlassen, sich selbst großzuziehen. Henryk hätte eigentlich im Bezirkswaisenhaus für mittellose Kinder untergebracht werden sollen. Aber in den zwanziger Jahren war es nicht schwer für einen Jungen in New York, von der Bildfläche zu verschwinden – sehr viel schwieriger dagegen war es, zu überleben. Henryk wurde ein Meister in dieser Disziplin – ein Training, das ihm in seinem späteren Leben sehr zustatten kommen sollte.
    Er trieb sich in New Yorks East Side herum, mit enggeschnalltem Gürtel und weit offenen Augen, putzte hier Schuhe, spülte dort Geschirr und hielt unermüdlich Ausschau nach einem Einstieg in das Labyrinth, in dessen Innerstem Reichtum und Prestige lagen. Er entdeckte schließlich auch einen, als sein Zimmergenosse, Jan Pelnik, ein Botenjunge an der New Yorker Börse, sich durch den Genuß einer mit Salmonellen gespickten Wurst zeitweise selbst außer Gefecht gesetzt hatte. Henryk, entsandt, um den Chefboten von diesem Mißgeschick zu unterrichten, stapelte die Lebensmittelvergiftung zu einer Tuberkulose hoch und empfahl sich selbst als Anwärter auf die somit frei gewordene Stelle. Dann suchte er sich ein anderes Zimmer und nahm, angetan mit seiner neuen Uniform, seine Arbeit auf.
    Die meisten Botschaften, die er in den frühen zwanziger Jahren auszutragen hatte, waren mit der Empfehlung ›Ankauf‹ versehen. Viele von ihnen wurden umgehend befolgt, denn damals herrschte eine Zeit des Booms. Henryk sah Männer von geringen Fähigkeiten Vermögen machen, während er nur ein Beobachter war. Sein Instinkt trieb ihn zu jenen Leuten, die in einer Woche an der Börse mehr Geld machten, als er mit seinem Lohn in einem ganzen Leben würde verdienen können.
    Er machte es sich zur Aufgabe, zu lernen, wie die Börse funktionierte, belauschte Gespräche, las Botschaften und brachte heraus, welche Zeitungen man lesen muß. Als Achtzehnjähriger verfügte er über vier Jahre Erfahrung in Wall Street – vier Jahre, die für die meisten Botenjungen nichts weiter bedeutet haben dürften, als durch Flure zu hasten und Papiere zu überbringen. Für Henryk Metelski hingegen kamen diese vier Jahre praktisch einem Magistergrad von der Harvard Business School gleich (damals konnte er nicht ahnen, daß er eines Tages Vorträge vor diesem erlauchten Gremium halten würde).
    Im Juli 1927 sollte er eines Vormittags eine Botschaft bei Haigarten & Co., einer angesehenen Maklerfirma, abliefern, und machte dabei seinen üblichen Umweg über die Toilette. Er hatte ein System entwickelt, das darin bestand, sich in einer der Kabinen einzuschließen, die Mitteilung, die er überbringen sollte, zu lesen, zu überlegen, ob sie für ihn wertvoll sein könnte, und wenn das der Fall war, Witold Gronowich anzurufen, einen älteren Polen, der eine kleine Versicherungsmaklerfirma für seine Landsleute betrieb. Nach Henryks Schätzung nahm er selbst durch die Informationen, die er auf diese Weise übermittelte, pro Woche 20 – 25 Dollar zusätzlich ein. Gronowich, der ohnehin nicht in der Lage war, größere Summen auf dem Markt zu investieren, ließ niemals etwas über seinen jungen Informanten durchsickern.
    In der Kabine dämmerte es Henryk, daß er dabei war, eine Mitteilung von beachtlicher Bedeutung zu lesen. Der Gouverneur von Texas stand im Begriff, der Standard Oil Company die Erlaubnis zu erteilen, eine Pipeline von Chicago nach Mexiko fertigzustellen, nachdem alle anderen betroffenen Behörden diesem Vorschlag bereits zugestimmt hatten. An der Börse wußte man, daß die Gesellschaft diese letzte Erlaubnis fast ein Jahr lang zu erhalten versucht hatte. Die Botschaft sollte unmittelbar John D. Rockefellers Makler, Tucker Anthony, übermittelt werden, und zwar sofort. Die Bewilligung dieser
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