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Es ist nicht alles Gold was glänzt

Titel: Es ist nicht alles Gold was glänzt
Autoren: Jeffrey Archer
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einverstanden, die Angelegenheit fallenzulassen, nur allzu erfreut, ihr Geld wiederzuhaben; und da dies in Form einer Zahlungsanweisung von der Morgan Bank geschehen war, hatte sie nichts verloren. Henryk stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und begann endlich, sich zu entspannen und sich wohl zu fühlen. Er winkte sogar den Ober mit dem Zucker und der silbernen Zange herbei.
    Nachdem eine angemessene Zeit verstrichen war, erklärte Henryk, er müsse nun zurück zu seiner Arbeit, dankte Mrs. Rennick, bezahlte die Rechnung und ging. Draußen auf der Straße pfiff er vor Erleichterung. Sein neues Hemd war klitschnaß vor Schweiß, aber er befand sich wieder im Freien und konnte durchatmen. Seine erste größere Operation war ein Erfolg gewesen.
    Er stand in der Park Avenue, belustigt darüber, daß der Schauplatz seiner Begegnung mit Mrs. Rennick das Waldorf-Astoria gewesen war – eben jenes Hotel, in dem John D. Rockefeller, der Präsident der Standard Oil, eine Suite hatte. Henryk war zu Fuß gekommen und hatte den Haupteingang benutzt, während Mr. Rockefeller etwas früher mit der Untergrundbahn eingetroffen und in seinem Privatlift zu den Waldorf Towers hinaufgefahren war. Wenige Bürger von New York wußten, daß Rockefeller sich seinen eigenen privaten U-Bahnhof etwas mehr als 15 Meter unter dem Waldorf-Astoria hatte bauen lassen, damit er nicht vor aller Augen die Strecke von acht Straßenblöcken bis zur Grand Central Station zurücklegen mußte, da zwischen dem Großbahnhof und der 125. Straße keine U-Bahnhaltestelle lag. (Der Privatbahnhof existiert noch heute, aber im Waldorf-Astoria wohnen keine Rockefellers mehr, und die U-Bahn hält dort niemals an.) Während Henryk sich mit Mrs. Rennick über die 50.000 Dollar unterhielt, diskutierte Rockefeller mit Präsident Coolidges Finanzminister, Andrew W. Mellon, über eine Investition von 5 Millionen Dollar.
    Tags darauf ging Henryk wie gewöhnlich wieder zu seiner Arbeit. Er wußte, daß er die Aktien vor Ablauf von fünf Tagen zu Geld machen mußte, um seine Schulden bei der Morgan Bank und beim Börsenmakler zu begleichen – ein Aktienkauf an der New Yorker Börse ist innerhalb von fünf Werktagen oder sieben Wochentagen zu bezahlen. Am Fälligkeitstag standen die Aktien bei 23,30 Dollar. Er verkaufte zu 23,15 Dollar, beglich sein Kontodefizit in Höhe von 49.625 Dollar und hatte, nach Abzug aller Spesen, einen Gewinn von 7.490 Dollar gemacht, den er bei der Morgan Bank stehenließ.
    Während der nächsten drei Jahre rief Henryk Mr. Gronowich nicht mehr an, sondern begann, auf eigene Rechnung zu arbeiten, zunächst allerdings mit kleineren Beträgen. Die Zeiten waren immer noch gut, und wenn er auch nicht jedesmal einen Profit erzielte, so hatte er es doch zu einer gewissen Fertigkeit in der Handhabung des gelegentlichen Baissemarktes sowie in der des üblicheren Haussemarktes gebracht. Sein auf dem Baissemarkt praktiziertes System bestand darin, Leerverkäufe auf Baisse zu tätigen – ein von moralisch denkenden Kaufleuten nicht sonderlich geschätztes Geschäftsgebaren –, und er beherrschte bald die Kunst, Aktien, die er nicht besaß, zu verkaufen in Erwartung eines darauffolgenden Kurseinbruchs. Sein Instinkt für die Börsentendenzen verfeinerte sich ebenso rasch wie sein Geschmack hinsichtlich seiner Garderobe, und die in den Hinterstraßen der Lower East Side erlernten Schliche kamen ihm sehr zustatten. In Henryks Augen war die Welt nichts als ein Dschungel – zuweilen trugen die Löwen und die Tiger allerdings Anzüge.
    Als die Börse 1929 zusammenbrach, hatte er seine anfänglichen 7.490 Dollar in 51.000 Dollar flüssige Mittel verwandelt, indem er jede Aktie, die er besaß, mit Profit weiterveräußert hatte. Er war in eine elegante Wohnung in Brooklyn umgezogen und fuhr einen ziemlich auffälligen Stutz. Henryk war sich schon sehr früh in seinem Leben darüber im klaren, daß er mit drei wesentlichen Nachteilen geboren worden war: seinem Namen, seiner Herkunft und seiner Mittellosigkeit. Das Geldproblem hatte begonnen, sich von selbst zu lösen, und so beschloß er, die beiden anderen Makel auszumerzen. Zunächst ersuchte er darum, seinen Namen durch Gerichtsbeschluß in Harvey David Metcalfe umzuändern. Danach brach er jegliche Beziehung zu seinen Freunden aus dem polnischen Milieu ab, und so besaß er, als er im Mai 1930 mündig wurde, einen neuen Namen und eine neue Vergangenheit.
    Später im gleichen Jahr lernte er Roger
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