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Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Titel: Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman
Autoren: Frank Spilker
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Postkarten gefunden und eine war eben aus dem Schwarzwald. Außerdem habe ich gerade nichts anderes zu tun.«
    »Auf jeden Fall ein gutes Timing, ausgerechnet jetzt aus Hamburg abschuhauen …«
    Jimis Bericht über die Zustände in der Stadt klingt beunruhigend. Es sei das Gerücht umgegangen, jemand habe das Trinkwasser vergiftet. Sämtliche Vorräte an Trinkbarem seien innerhalb weniger Stunden ausverkauft gewesen. Kein Tropfen Wasser oder Saft stehe noch in den Regalen. In den Supermärkten hätten sich dramatische, teilweise gewalttätige Szenen abgespielt.
    »Bitte was?« In Hamburg reicht normalerweise der Feuchtigkeitsgehalt der Luft für die Grundversorgung mit Wasser aus.
    »Irgendwo bei Harburg soll es eine riesige Baustelle geben«, fährt Jimi fort. »Die Wasserwerke und der Kataschrophenschusch sind angeblich schon vor Ort.«
    »Wer sagt das?«
    »Das erzählt man sich halt. Und alles mögliche andere Zeug: Angeblich wollten die Behörden eine Panik verhindern und hätten deswegen nichts bekannt gegeben.«
    »Hey, es gibt da doch so einen großen Fluss bei Hamburg. Könnt ihr nicht daraus trinken?«
    »Ja, klar. Sehr lustig.« (Husten.)
    »Mein Akku ist bald leer. Hast du bloß angerufen, um mir diesen Quatsch zu erzählen?«
    »Ich hab nur versehentlich die Wahlwiederholung berührt«, witzelt Jimi. »Aber schön, dass wir gesprochen haben. Und bring dir schur Sicherheit ein paar Flaschen Wasser mit, wenn du schurückkommst.«
    So früh und so kalt. Bis endlich jemand kommt und uns sagt, was wir tun sollen, will jeder nur noch ins Haus zurück. Irgendwohin, wo es warm ist. Arme hoch, Arme runter, Knie durchdrücken. Ich will nach Hause. Ich habe mir den Weg gemerkt. Den Weg durch den Ort zurück zu der Bahnhofsstation, wo wir angekommen sind. Im Kopf versuche ich ihn umzudrehen, damit ich vielleicht allein hinfinde. Aber ich bekomme nie den ganzen Weg zusammen. Immer fehlt ein kleines Stück.
    Umsteigen in Baden-Baden, dem mondänen Kurort des achtzehnten Jahrhunderts. Der Bahnsteig ist überdacht, aber ich kann die Kälte spüren, die aus dem Tropfenschleier kriecht, der sich mittlerweile überall ausgebreitet hat. Mein kleiner Koffer und ich setzen uns in die Bahnhofsbäckerei, hilflos den Löchern des Fahrplans ausgeliefert. Wenigstens ist mir der Name des Kurorts wieder eingefallen, als der Lautsprecher im Zug die nächsten Anschlussmöglichkeiten durchgegeben hat.
    Es ist früher Nachmittag, die Schule ist aus. Am Bahnhof sammeln sich Gymnasiasten und Berufsschüler, die zurück in ihre Dörfer fahren. Eine Viertelstunde vor der planmäßigen Abfahrt des Regionalzuges schlurfe ich mit meinem Koffer zurück auf den Bahnsteig. Auf einer Bank direkt hinter dem Bahnhofsgebäude sitzt ein alter Mann mit einem wilden grauen Rauschebart, der zusammen mit den buschigen Augenbrauen das ganze Gesicht verdeckt. Seine Kleidung ist altmodisch, aber sehr gepflegt. Mitten im wuchernden Bart steckt eine Zigarre. Als ich an ihm vorbeigehe, meine ich ein amüsiertes Lächeln zu entdecken. Er blinzelt mich an wie ein alter Bekannter, den ich nicht wiedererkenne.
    Sind wir uns etwa schon mal begegnet?
    »Entschuldigung, kennen wir uns von irgendwo her?«
    Als Antwort bekomme ich nur ein undefinierbares Brummen. Dann wendet er den Kopf demonstrativ ab, als empfinde er meine Annäherung als lästig.
    Ich sitze als erster oder zweiter im Zug. Die Kleidung der Schüler, die nach mir in die Regionalbahn strömen, bringt die Kälte und Feuchtigkeit von draußen mit. Alle tragen Funktionsjacken und festes Schuhwerk. Meine eigene Kleidung entspricht dagegen eher der des alten Mannes, sieht man davon ab, dass sie die Eleganz einer Billigkaufhauskette besitzt. In den Augen der Schüler wirke ich sicher wie ein alkoholkranker Obdachloser. Ohnehin sitzen in ländlichen Gegenden in den Regionalzügen oft nur Menschen, die keinen Führerschein besitzen. Entweder noch nicht oder nicht mehr. Ich habe vergessen, eine Fahrkarte zu lösen. Der Eindruck, den ich erzeuge, bestätigt sich erneut.
    Gott hat gemacht, dass es gut und böse gibt. Böse ist man, wenn man lange schläft oder ins Bett macht. Gut ist man, wenn man an der frischen Luft ist und Gottes Werk bewundert. Die Schwestern machen alles richtig und haben immer recht.
    Das Vorland des Schwarzwaldes ist nicht unbedingt schön zu nennen, abgesehen davon, dass es nur wenige Landschaften gibt, die bei einem solchen Mistwetter attraktiv wirken. Langsam wird es hügelig. Ich werde
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