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Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Titel: Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman
Autoren: Frank Spilker
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einfach so gehen, wie ich bin. Gestern noch hätte mir das etwas ausgemacht. Heute stolziere ich die Treppe in den Saal hinunter und ziehe eine Spur aus Wasserdunst hinter mir her wie eine Königin ihr Hochzeitskleid.
    Die Bedienung ist ein kleiner schmaler Mann mit viel Gel im schwarzen Haar und einem dünnen Schnurrbart. Aufmerksam bringt er mir gleich ein Kissen, damit ich nicht friere (aber sicher auch damit der Bezug des Stuhls nicht leidet, auf dem ich sitze).
    Nach der Essensbestellung frage ich nach der Sauna. »Selbstverständlich!« Ob ich wieder vorhätte, sie
nicht
zu benutzen? Er scheint immerhin Humor zu haben und fügt nach kurzem Überlegen hinzu: Man habe auf einer Parkbank am Dorfrand ein Handy gefunden. Ob das meines sei?
    »O ja, das ist meins! Vielen Dank! Aber wie haben Sie das so schnell herausgefunden?«
    »Ach, wissen Sie, irgendjemand hat Sie dort sitzen sehen und gemeint, dass Sie wohl nicht aus dem Dorf sein können, denn sonst hätte man Sie ja erkannt.« Da es zurzeit nur eine Handvoll Gäste im Ort gebe, sei es nicht schwer gewesen, mich ausfindig zu machen.
    Es muss also doch aufgefallen sein, dass ein Verrückter mit Handtuch um den Kopf in den Bergen herumgelaufen ist.
    Sogar ein Ladegerät ist der Kellner bereit, für mich aufzutreiben. Ich war noch nie so froh, ein langweiliges Handy zu besitzen.

    Matthias wird langsam wieder nüchtern und hat eine traurige Nachricht zu überbringen: Hausmeister Schröter habe die Tür zum verbarrikadierten Büro schließlich doch aufgebrochen und dort eine halbtote Caren vorgefunden. Sie sei hinter ihrer Mauer aus Kakteen und Haaren ausgetrocknet wie eine vernachlässigte Zimmerpflanze. Der Notarzt habe etwas von dehydrierenden Medikamenten gemurmelt, die im Verbund mit Flüssigkeitsmangel lebensgefährlich werden könnten. Oder waren noch andere Mittel im Spiel?
    Caren also war es, die sich im Büro eingemauert hat, nicht Martin, Dimitri oder Nick, denen ich dieses Schicksal gegönnt hätte. Über ihre Gründe, sich dort zu verschanzen, könne man nur spekulieren, nuschelt Matthias betroffen. Vielleicht seien ihr einfach alle nur auf die Nerven gegangen. Vielleicht sei ihr der ganze Stress mit Schröter, dem Rauswurf, den hysterischen und besoffenen Leuten um sie herum zu viel geworden. Er gehe sie nachher mal im Krankenhaus besuchen.
    Ich glaube, Caren ist einfach anders als wir. Wenn es mir zu viel wird, haue ich ab, verstecke mich so wie jetzt und hoffe, dass es besser wird. Sie dagegen kann nur unter genau festgelegten Bedingungen existieren. Caren braucht einen bestimmten Ort, eine ausreichende Menge Licht und Wasser wie eine Zimmerpflanze. Und wie eine solche bringt sie entweder Blüten hervor, oder sie stirbt ab. Jemanden wie Caren kann man nicht einfach umtopfen.
    Das Handy vibriert. Ursula.
    »Ein Glück, du lebst noch!«
    »Natürlich, warum auch nicht?«
    »Ich dachte nur, weil ihr da oben doch alle verdurstet.«
    »Irgendetwas ist immer.«
    »Sehr witzig. Eine typische Troppelmann-Antwort.«
    »Es muss doch immer irgendwas los sein, damit die Medien was zum Berichten haben. Aber ich bin gar nicht in Hamburg, sondern in einem Hotel im Schwarzwald.«
    »Ach so! Na, dann habe ich mir wohl umsonst Sorgen gemacht. Was tust du da?«
    »Ich habe eine Mission beendet«, antworte ich mit ironischem Unterton, den sie aber nicht versteht.
    »Eine Mission? Was war denn so wichtig?«
    »Na, du hast mich doch selbst losgeschickt.« Ich muss sie erst daran erinnern, was sie mir an dem Abend in der Hamster Bar geraten hat.
    »Du hast also eine Kur gemacht? Eine Therapie?«
    »Nein … nicht jetzt. Damals. Ach, ich weiß auch nicht … Ich glaube, es war einfach gut für mich, herauszufinden, dass manche Dinge gleichzeitig von Bedeutung und unheimlich banal sein können.«
    »Klingt banal«, witzelt Ursula. »Aber Hauptsache, es geht dir gut. Das ist doch so, oder? In diesem Punkt bist du dir sicher?«
    »Na ja – ich kann es nicht beweisen. Aber ja. Ziemlich sicher.«

    Ständig diese Frage nach dem Einfluss des Vergangenen. Was meine eigene Geschichte angeht, wird es mir immer ein Rätsel bleiben, was wichtig war und was nicht. Und das ist dann vielleicht das einzige und letzte Geheimnis, das ich mit ins Grab nehmen darf.

    Solange alles gut geht, ist es nur ein Spiel. Wenn es nicht gut geht, hat man eben Pech gehabt. Dann wird man aussortiert und zur Seite gelegt. Je größer der Druck, desto höher der Ausschuss, aber Hauptsache, sonst läuft
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