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Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Titel: Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman
Autoren: Frank Spilker
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haben mit unseren spontan zusammengeklebten und lächerlich einfachen Ideen eine Menge Wirbel gemacht. Wir sind aufgefallen mit Plakaten und Plattencovern für befreundete Musiker und Performance-Künstler, und das hat für einige von uns eine Zeit lang eine wahre Auftragsflut ausgelöst. Die meisten haben dann aber lieber weiter für den Kulturbereich gearbeitet, anstatt ihre Arbeiten unter den Schriftzug irgendeines großen Getränkeherstellers zu setzen. Der hat dann eben einfach andere Leute gesucht, die das gemacht haben.
    So oder so ähnlich ist das bei uns hier gelaufen. Alle haben so eine Neigung, einfach nicht aufzumachen, wenn das Geld vor der Tür steht. Vielleicht ist es ihnen zu langweilig, einen leichten Job zu machen. Lieber denken sie sich was Neues aus. Was Tolles zum Spielen, das glitzert und einem die Freudentränen in die Augen treibt. Egal ob der Kunde das bezahlen kann oder nicht. Ich habe das Gefühl, dass die meisten hier nur gelandet sind, weil sie woanders gar nicht funktionieren würden. Außerdem habe ich das dumme Gefühl, dass das für mich ganz besonders gilt.
    Unsere Untermieter fangen gerade wieder an, ihr Equipment einzurauschen. Tatsächlich war es einer der beiden Musikproduzenten, der diese Immobilie hier entdeckt hat. Das Gelände ist zwar etwas abgelegen, aber auch nicht wirklich weit draußen. Die unmittelbare Nähe zu einem Bahndamm und einer viel befahrenen Straße macht es wohl für andere Mieter unattraktiv, weshalb es überraschend günstig war, erst recht, wenn man die Größe bedenkt. Für ein kleines Tonstudio, das nicht einmal einen Regieraum benötigt, weil sämtliche Klänge elektronisch erzeugt werden, natürlich viel zu groß. Also haben sich Dimitri und seine Jungs so eine Art Kreativzentrum ausgedacht, in dem wir – ich und das lose Netzwerk von Grafikern und Fotografen, das man auch eine Firma nennen könnte – einen wichtigen Baustein übernahmen: den des Hauptmieters der größten Fläche und des für die Mietzahlungen Verantwortlichen. Durch diese Aktion ist aus der kleinen Hinterhofwerkstatt erst so etwas wie eine offizielle Adresse geworden.
    Leider ist mein Verhältnis zu Dimitri mittlerweile zerrüttet. So sehr, dass kaum noch Absprachen möglich sind, weder was die Lautstärke noch was die Mietzahlungen angeht. Das hat nämlich niemand bedacht, als wir hier einzogen: dass aus Musik einfach nur Lärm wird, wenn man sie oft genug wiederholt.
    Klick.

    Unter dem Computermonitor gähnt eine Leerstelle – der Platz, wo das Bild von Andrea stand. Andrea, die sanftmütige Verflossene. Die mit den weichen Haaren und dem angenehmen Geruch. Andrea, die dumme Kuh. Außerdem liegen dort einige Visitenkarten herum:
Thomas Troppelmann – Tropical Design
. Thomas, der Trottel.

2
    Es heißt, dass man ungefähr die Hälfte der Zeit, die eine Beziehung gedauert hat, dafür braucht, um sich abzunabeln. Und alte Menschen kommen gar nicht mehr los von denen, die sie verloren haben, selbst wenn sie es möchten. Aber was bedeutet das schon, »sich abnabeln«?
    Nicht mehr zu trauern?
    Es kommt immer wieder, in heißen Schüben, die nicht zu verdrängen sind. Ein Bild von Andrea, der Klang ihrer Stimme, ihr Lachen auf dem Anrufbeantworter, das ich endlich mal löschen muss – irgendein Detail ihrer Präsenz schleicht sich in das Bewusstsein, und der Schmerz ist wieder da. Heiß und flammend für einen Moment, vielleicht sogar für eine ganze Weile. Jede Ablenkung ist hilfreich, auch wenn es keine Situation gibt, in welcher der Schmerz nicht seinen winzigen, bohrenden Durchschlupf fände.
    Dauernd diese Bilder: Sie fährt auf dem Fahrrad vor mir her. Eine Anhöhe, Gegenwind, eine Abfahrt. Es beginnt zu regnen, wir hocken unter einem ausgebreiteten Mantel und warten darauf, dass der Regen nachlässt. Sie sitzt mir in der U-Bahn gegenüber und lächelt, gleich steigen wir aus. Es riecht nach London. Am schlimmsten ist der Klang ihrer flüsternden Stimme ganz nah an meinem Ohr. Wenn diese Erinnerung kommt, erwischt es mich immer mit voller Wucht.
    Klick.
    Es wird seltener, aber nicht schwächer. Sie ist wie ein Monument, das ich zwanghaft umkreisen muss. Irgendwann werde ich eine Ausflucht finden, aber das wird noch eine ganze Weile dauern. Eigentlich besteht mein ganzer Tag aus nichts anderem, als einen Weg zu suchen, der mich vom Denkmal entfernt. Der ganze Sinn und Zweck meines Daseins ist es, etwas nicht zu sehen.
    Ein Kurier kommt herein, lässt etwas auf meinen
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