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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord
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umgezogen?«
    »Auf dem Weg. Er verließ sein Haus als Mann und kam in der Rue des Patriarches als Frau an. Und umgekehrt, natürlich.«
    »Das heißt? Ein verlassener Raum? Ein Bauwagen, wo er seine Kleider versteckte?«
    »Zum Beispiel. Muß man noch finden. Oder er muß es uns sagen.«
    »Ein Bauwagen mit Essensresten, leeren Flaschen, einem etwas modrigen Schrank? Ist es das? Der Geruch nach faulen Äpfeln auf den Kleidern? Und warum hat die Kleidung von Clémence nach nichts gerochen?«
    »Es waren leichte Kleidungsstücke. Er behielt sie unter seinem Anzug an und verstaute den Rest, Baskenmütze und Handschuhe in seiner Tasche. Aber er konnte seine Männerkleidung nicht unter der Kleidung von Clémence anbehalten. Also versteckte er sie auf dem Weg.«
    »Eine verdammt gute Organisation.«
    »Für manche Menschen hat Organisieren etwas Wohltuendes. Es war ein ausgeklügelter Mord, der monatelange Arbeit im Vorfeld von ihm verlangte. Mehr als vier Monate vor dem ersten Mord hat er damit angefangen, Kreise zu zeichnen. So ein Byzantinist schreckt nicht vor stundenlanger, peinlich genauer, pedantischer Vorbereitung zurück. Ich bin sicher, daß er ein diebisches Vergnügen daran gefunden hat. Zum Beispiel die Idee, sich Gérard Pontieux zu bedienen, damit wir Clémence hinterherlaufen. Derlei Perfektion muß ihn begeistert haben. Genau wie auch der Blutstropfen, den er bei Clémence hinterlassen hat, das i-Tüpfelchen vor seinem Aufbruch.«
    »Wo ist er? Verdammt, wo ist er?«
    »In der Stadt. Zum Mittagessen wird er nach Hause kommen. Nichts eilt, er ist sich seiner Sache so sicher. Ein derart komplizierter Plan konnte nicht schiefgehen. Aber das mit der Modezeitschrift konnte er nicht wissen. Seine Delphie nahm sich Freiheiten heraus, ohne es ihm zu sagen.«
    »Das kleine Männchen gewinnt«, sagte Castreau. »Ich werd ihm ein bißchen Brot hinwerfen. Er hat ordentlich gerackert.«
    Adamsberg hob den Kopf. Die Leute vom Labor trafen ein. Conti stieg mit allen seinen Taschen aus dem Transporter.
    »Du wirst sehen«, sagte Danglard, als er Conti begrüßte, »das ist was anderes als der Lockenwickler. Aber es war derselbe Typ.«
    »Und diesen Typen gehen wir jetzt holen«, sagte Adamsberg und stand auf.
     
    ***
     
    Das Haus von Augustin-Louis Le Nermord war eine Jagdhütte in schlechtem Zustand. Über dem Eingang hing ein Hirschgeweih.
    »Wie harmlos«, sagte Danglard.
    »Weil der Mann nicht harmlos ist«, erwiderte Adamsberg. »Er liebt den Tod. Reyer hat mir das von Clémence erzählt. Er hat mir vor allem gesagt, daß sie wie ein Mann redete.«
    »Ist mir völlig egal«, sagte Castreau. »Seht mal.«
    Stolz zeigte er ihnen das Amselweibchen, das auf seine Schulter geflogen war.
    »Habt ihr so was schon mal gesehen? Eine Amsel, die zahm wird? Und die sich mich aussucht? Ausgerechnet mich?«
    Castreau lachte.
    »Ich werde sie Krümel nennen«, sagte er. »Ziemlich bescheuert, was? Glaubt ihr, daß sie bei mir bleibt?«
    Adamsberg klingelte an der Tür. Dahinter waren ruhige, schlurfende Schritte in Hausschuhen zu vernehmen. Le Nermord machte sich nicht die geringsten Sorgen. Als er öffnete, besah sich Danglard mit verändertem Blick seine schmutzigblauen Augen und seine weiße Haut mit den kleinen roten Flecken.
    »Ich wollte gerade essen«, sagte Le Nermord. »Was ist los?«
    »Alles ist schiefgegangen, Monsieur«, erwiderte Adamsberg. »Das kommt vor.«
    Er legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Sie bedrängen mich«, sagte Le Nermord und wich zurück.
    »Folgen Sie uns bitte«, sagte Castreau. »Sie stehen unter vierfachem Mordverdacht.«
    Noch immer mit der Amsel auf seiner Schulter, ergriff er Le Nermords Handgelenke und legte ihm Handschellen an. Früher, zur Zeit des vorigen Kommissars, hatte sich Castreau immer gerühmt, so schnell Handschellen anlegen zu können, daß man nichts davon sah. Jetzt sagte er nichts.
    Danglard hatte den Mann mit den Kreisen nicht aus den Augen gelassen. Und es schien ihm, als ob er verstände, wovon Adamsberg mit seiner Geschichte von dem großen, dummen, geifernden Hund gesprochen hatte. Diese Sache mit der Grausamkeit. Das Absondern. Der Mann mit den Kreisen war in diesem Augenblick schrecklich anzusehen. Sehr viel schrecklicher als die Leiche in der Grube.
     
    ***
     
    Am Abend waren die Männer wieder alle in Paris. Im überlasteten Kommissariat herrschte Aufregung. Der Mann mit den Kreisen, der von Declerc und Margellon auf einem Stuhl gehalten wurde, stieß
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