Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arrivederci amore, ciao

Arrivederci amore, ciao

Titel: Arrivederci amore, ciao
Autoren: Massimo Carlotto
Vom Netzwerk:
Prolog
    Der Kadaver des Alligators trieb im Wasser, den Bauch nach oben gekehrt. Man hatte ihn abgeschossen, weil er dem Lager allmählich zu nah gekommen war und niemand einen Arm oder ein Bein riskieren wollte. Der süßliche Geruch der Verwesung mischte sich mit dem des Dschungels. Die erste Hütte stand rund hundert Meter von der Stelle am Ufer entfernt. Der Italiener plauderte gelassen mit Huberto. Er bemerkte meine Anwesenheit. Er drehte sich um und lächelte mich an. Ich zwinkerte ihm zu, und er redete weiter. Ich trat hinter ihn, atmete tief ein und schoss ihm in das Genick. Er fiel ins Gras. Wir packten ihn an Armen und Beinen und warfen ihn neben den Alligator. Das Tier bauchoben, er bauchunter. Das Wasser stand derart zäh und reglos, dass Blut und Hirnfetzen sich kaum mehr als über die Größe einer Untertasse ausbreiten konnten. Huberto nahm mir die Pistole ab, steckte sie sich in den Hosenbund und schickte mich mit einem Nicken zurück ins Lager. Ich gehorchte, obwohl ich lieber noch eine Weile den Körper im Wasser betrachtet hätte. Ich hätte nicht gedacht, dass es so leicht ist. Ich hatte den Lauf auf seine blonden Haare gerichtet, ohne den Kopf zu berühren, damit er sich nicht umdrehte und ich ihm nicht in die Augen sehen musste, dann hatte ich abgedrückt. Der kurze, trockene Knall hatte die Vögel verscheucht. Es hatte einen leichten Rückschlag gegeben, aus dem Augenwinkel hatte ich gesehen, wie das Magazin der Halbautomatik die nächste Kugel lud. Eigentlich war mein Blick auf seinen Hinterkopf konzentriert. Ein rotes Einschussloch. Perfekt. Die Kugel hatte beim Austritt an der Stirn eine ausgefranste, klaffende Wunde hinterlassen. Huberto hatte ihn sterben sehen, ohne mit einer Faser seines Leibes zu zucken. Er wusste, dass es geschehen würde. Der Italiener musste beseitigt werden, und er hatte sich angeboten, ihn in die Falle zu locken. Seit einiger Zeit war der Italiener ein Problem. Nachts, wenn er sturzbesoffen war, belästigte er die Gefangenen. Am Abend zuvor hatte der Comandante mich in sein Zelt beordert. Er saß auf einer Pritsche, eine schwere Pistole in den Händen drehend.
    »Eine Neunmillimeter aus chinesischer Herstellung«, erklärte er, »die exakte Kopie der Browning HP. Die Chinesen kopieren alles. Sie arbeiten sauber und genau. Wenn die Schriftzeichen nicht wären, würdest du sie für ein Original halten. Aber die Mechanik ist Scheiße. Bleibt mitten im Nachladen hängen. Äußerlich perfekt, aber im Inneren funktioniert nichts … Genau wie der chinesische Sozialismus.«
    Ich nickte, um Interesse zu heucheln. Comandante Cayetano war ein legendärer Guerilla-Anführer. Und einer der wenigen Überlebenden. Er war über sechzig und trug einen langen, dünnen Spitzbart à la Onkel Ho, und ganz wie der vietnamesische Revolutionsführer war auch er lang und dünn. Als Sohn eines Zuckerbarons hatte er sich schon in seiner Jugend auf die Seite der Armen und der Indios geschlagen. Ein konsequenter Typ. Hart und mutig, der hatte was in der Hose. Gewiss hatte er mich nicht zum Plaudern holen lassen. Das hatte er nie getan. Ich war ihm nicht sympathisch.
    »Leg ihn um.« Er hielt mir die Pistole hin. »Ein Schuss genügt.«
    Ich nickte nochmals. Ich ließ keine Überraschung erkennen und fragte nicht, wen ich umlegen sollte. Ich hatte genau verstanden.
    »Warum ich?« Die Frage war meine ganze Reaktion.
    »Weil du auch Italiener bist. Ihr seid zusammen gekommen, ihr seid Freunde. Besser, die Sache bleibt in der Familie«, sagte er boshaft, in einem Ton, der keine weitere Frage zuließ.
    Ich nickte zum x-ten Male, und am nächsten Abend drückte ich ab. Niemand im Lager machte eine Bemerkung zu dem Vorfall. Alle hatten es erwartet.
     
    Das war alles, diese Exekution aus dem Hinterhalt war meine ganze Erfahrung als Guerillakämpfer. Einen töten, der genau wie ich beschlossen hatte, sein Leben dem Kampf eines zentralamerikanischen Volkes zu widmen. Mit Worten. In Wahrheit waren wir zwei arrogante Arschlöcher, waren aus Italien geflohen und vor den Fötzchen der Universität, wurden wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und irgendwelchen belanglosen Attentaten per Haftbefehl gesucht. Und dann war da noch die Bombe, die wir vor der Industrie- und Handelskammer gelegt hatten und die einen Nachtwächter tötete. Einen Pechvogel kurz vor der Pensionierung. Die Tasche war ihm aufgefallen, er war vom Fahrrad gestiegen und hatte den dämlichen Einfall, die Nase reinzustecken. Den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher