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Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Titel: Erst mal bis zur nächsten Kuh...
Autoren: Jürgen Barth
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kostet
einen Franken.“
     
    Still
und einsam ist es hier oben, wir sind nur drei Wanderer, und der Hüttenwirt
zaubert für uns als Nachtessen ein Schweizer Rösti mit
Bratwurst und Salat. Am anderen Morgen geht es hinunter ins Tal - und damit
hinunter in die reformierte Schweiz. Vorbei ist die Landschaft mit Wegkreuzen,
barocken Kapellen und Bildstöcken. Die Kirchen sind schlicht, gepflegt und
sauber und vor allen Dingen offen, auch am späten Abend. In der Regel wirken
sie aber auch ein wenig leer. Schon wahr, der Glaube braucht keine Bilder,
keine Kerzen - aber woran kann ich mich halten, wenn ich selber leer bin? Am Beatenberg wird mir die Veränderung besonders deutlich.
Dort lebte vor Jahrhunderten der Einsiedler Beat, der ins Land um den Brienzer See den christlichen Glauben gebracht hat. Er soll
dort oben am Berg mit einem wilden Drachen gekämpft haben, erzählt die Legende.
Früher, in katholischer Zeit, gab’s hier eine Kapelle, sicher mit Drachenfresko
und frommen Devotionalien.
    Die
reformierten Berner haben damit Schluss gemacht. Und heute gibt es dort neben
der Höhle, die man besichtigen kann, einen Spielplatz mit einem großen
Plastikdrachen. Ist das Böse, Abgründige wirklich so harmlos?
     
    Die
reformierten Gottesdienste, die ich besuche, sind sehr gut vorbereitet. Die
Pfarrer geben sich große Mühe, die Gebete sind auf den Sonntag bezogen
formuliert, der Gemeindegesang ist kräftig. Und -nicht zu vergessen - die
Gemeindemitglieder sind herzlich und freundlich. Das sind die Stärken. Was mir
fehlt, ist die Liturgie mit ihrer Dramatik, der Wechselgesang, das eigentlich
„gottesdienstliche Szenario“, das Entlastende, Objektive. Anspruchsvolle
Frömmigkeit, das ist evangelisch, ich weiß es ja selber nur zu gut, aber
schnell auch ein wenig blutleer, und der Pfarrer muss immer gut sein.
     
    Hinter Schwarzenburg steht wieder ein Wegkreuz. Und ich
spüre: Die Welt wird hier wieder katholisch, volkstümlich, übersichtlicher,
möglicherweise etwas einfach-einfältiger, vielleicht auch eine Spur wärmer. Im
Radio ist Schnee angesagt ab 800 Meter. „Wie hoch sind wir hier eigentlich?“,
frage ich die Wirtin im Gasthaus zum Stern. „Ungefähr 800 Meter“, sagt die
Wirtin. Na, das kann ja heiter werden.

Bei Jakob am Jakobsweg
     
    Seit
meiner Studienzeit habe ich einen alten Freund in Münsingen in der Nähe von
Bern. Jedes Jahr besuchen wir uns einmal. Dieses Mal komme ich zu Fuß. Der Weg
führt oberhalb der Aare entlang, weite Wiesen, an Bauernhöfen vorbei. Es ist
ein anderes Ankommen als sonst bei den Besuchen mit dem Auto.
    Ich
sehe Münsingen näherkommen: den Kirchturm, die Bahnlinie, die Aare, das
Schwimmbad. Wie oft bin ich schon mit dem Auto an all dem vorbeigefahren. Wer
zu Fuß geht, entdeckt alles neu.
    Jakob
und Elisabeth bereiten mir einen freundlichen Empfang. Es ist das einzige Mal
auf dem Jakobsweg, dass ich irgendwo noch eine zweite Nacht bleibe - bei Jakob
am Jakobsweg.

Deutschschweizer und
Welschschweizer
     
    „Das is a wunderschöns Wegli “, meinte ein alter Mann auf einer Bank, als ich ihn
nach dem Fußweg nach Freiburg fragte. Nach einer halben Stunde trete ich aus
dem Wald und die Welt ist französisch. Freiburg ist plötzlich Fribourg. Und
nach der Veränderung der religiösen Landschaft erlebe ich an der Stadtgrenze
von Freiburg die Sprachgrenze, die zugleich auch eine Kulturgrenze ist. Am
Anfang kommt man noch mit dem Deutschen aus, aber bald spricht alles
französisch und mehr und mehr nur noch französisch. Die Gartenzwerge
verschwinden aus den Vorgärten und stattdessen trifft man dort weiße Schwäne
an. Die Häuser, die Dörfer haben ein französisches Gepräge. Aber auch hier
bleiben die Leute freundlich. „Bonne route!“, ruft mir eine ältere Frau im
Vorübergehen zu. Und ein Mann begleitet mich ein Stück und erzählt dabei, dass
er auch schon ein Stück des Jakobsweges gegangen sei. Aber bis nach Santiago?
Das ist weit, sehr weit.

Die ganz andere Welt in Romont
     
    Ich
sitze in der Klosterkirche von Fille-Dieu bei den
„Töchtern Gottes“, wie sich die Zisterzienserinnen am Fuß von Romont nennen. Nach der Übernachtung bei den Zisterziensern
in Hautrive am Vortag will ich heute bei den
Schwestern übernachten.
    „Haben
Sie einen Pilgerpass?“, fragt mich eine kleine, zerbrechliche alte Nonne an der
Pforte auf französisch . „Ja, habe ich“, sage ich und
reiche ihr mein Vokabelheft, in dem nun schon ein paar Stempel sind. Ob sie
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