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Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Titel: Erst mal bis zur nächsten Kuh...
Autoren: Jürgen Barth
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es
akzeptieren wird? Sie wirft einen Blick darauf, dann holt sie die Gastnonne.
Auch sie spricht nur französisch, aber wir verstehen uns sofort trotz meiner
mäßigen Französischkenntnisse. Fünfzehn Zisterzienserinnen singen die Komplet,
das Nachtgebet, in der Kirche. Was bringt eine junge Frau dazu, in ein Kloster
einzutreten ?, frage ich mich.
    Psalmengesang
im Wechsel auf Französisch, Kerzenlicht, die alte Kirche mit den modernen
Glasfenstern des englischen Künstlers
    Brian
Clarke, Tag für Tag, am Morgen, am Mittag, am Abend. „Das ist schon eine ganz
andere Welt“, wird die Frau im Office de Tourisme am
anderen Morgen sagen, oben in Romont , mit etwas
süffisantem Unterton. Und man spürt ihr an, dass sie dafür nicht allzu viel
Verständnis hat. Aber mich beeindruckt dieses lebenslange Engagement für das
Evangelium, dort unten im Tal hinter den Klostermauern.

Die Einsamkeit am Genfer See
     
    „Gehen
Sie nicht durch die enge Schlucht!“, riet mit Herr Bünzli ,
bei dem ich im kühlen Souterrain übernachtet hatte. „Es ist rutschig nach dem
Regen, und Sie sind allein!“ Aber ich wollte es probieren. Es war ein
wunderschöner Weg nach Lausanne: viel Wald, blühende Wiesen, Vogelgezwitscher,
Sonnenschein.
     
    Kurz
vor der Stadt holt mich ein junger Mann ein mit einem Cello auf dem Rücken.
„Sind Sie Jakobspilger?“, will er wissen. Und als ich bejahe, fragt er weiter:
„Wissen Sie schon, wo Sie in Lausanne übernachten?“ Nein, das weiß ich
natürlich noch nicht, vielleicht in der Jugendherberge. „Sie können bei mir
schlafen, wenn Sie wollen. Es ist aber sehr einfach.“ Er erzählt, dass er als
Arzt bei „Ärzte ohne Grenzen“ in Mali arbeite, jetzt aber grade zu Hause sei,
heute Abend zu seiner Großmutter fahre und deshalb seine Wohnung leer stehe.
„Es ist aber wirklich sehr einfach, Altbau, Studentenbude, nur Matratzen.“
Danach fragt ein Jakobspilger nicht. Und ich nehme sein Angebot gerne an.
     
    Lausanne
ist eine lebhafte Stadt mit französischem Flair. Am See drunten ist eine „Fete
de Biere“ mit rockiger Musik und jeder Menge junger Leute. Die Sonne scheint,
der See und die Berge, die weißen Schiffe und die im Wind flatternden bunten
Fahnen vereinen sich zu einer zauberhaften Atmosphäre. Und dennoch fühle ich
mich auf einmal unendlich einsam. Das äußere Ambiente steht in einem tiefen
Gegensatz zu meinem inneren Empfinden.
    Wie
viel Einsamkeit erträgt ein Mensch? schießt es mir durch den Kopf. Will ich
wirklich noch wochenlang unterwegs sein, jede Nacht in einem anderen Bett
schlafen, in Gegenden, in der man eine fremde Sprache spricht, und ohne zu
wissen, wie es sein wird? In meiner Hosentasche klimpert der Schlüssel von
Bertrand, dem Arzt aus Mali, der mir in seinem großzügigen Vertrauen seine
Wohnung anvertraut hat, ohne mich zu kennen. Als ich später die Wohnung aufschließe,
liegt auf meiner Matratze am Fußboden ein kleiner Zettel: „ Hello !
Je suis Nathalie et je dors dans l’autre chambre cette nuit .“
Ich bin ganz stolz, dass meine Französischkenntnisse mittlerweile soweit
fortgeschritten sind, dass ich übersetzen kann: Im Nachbarzimmer schläft
Nathalie, wer immer das sein mag.
     
    Bei
der Fahrt über den Genfer See am anderen Morgen schreibe ich eine Postkarte
nach Hause:
     
    „Ich bin am Genfer See,
    die Füße tun zwar weh,
    jedoch ich bin in keiner Weise
    bereits am Ende meiner Reise.
    Ich will die Grenze überschreiten,
    den Horizont noch weiter weiten.
    Der längste Weg, den wir beginnen,
    ist sicherlich der Weg nach innen.
    “

Von Genf nach Le Puy
Gastfreundschaft in La Motte
     
    Es
ist Pfingstsonntag, nachmittags um drei, und mein linker Knöchel tut mir weh.
Ich bin in einem kleinen Dorf angekommen, La Motte, nein, kein eigentliches
Dorf, eher ein Flecken, wie man es nennen könnte, sicher kaum auf einer
Landkarte zu finden. Am Tag zuvor, nach meiner herrlichen Fahrt mit dem Schiff
über den Genfer See, fand ich kein Quartier in Genf, es war ja Pfingstsamstag,
und das entnervte Mädchen auf dem Infoamt hatte mich
- wohl um mich los zu werden - zu einer Herberge geschickt, bei der eigentlich
nur Mädchen übernachten konnten, was sie sicher wusste. Aber auch dort war
nichts frei. So blieb mir nichts anderes übrig, als Genf links liegen zu
lassen. Ich bin einfach weitergelaufen, über die französische Grenze nach Neydenz , wo es einen Campingplatz gab mit ein paar Betten
auch für Wanderer und Jakobspilger.
    Gleich
neben dem
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