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Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Titel: Erst mal bis zur nächsten Kuh...
Autoren: Jürgen Barth
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hier andere Traditionen
lebendig sind als im sonnenverbrannten Kastilien um Burgos und León.
    Frühmorgens in einer kleinen Bar hinter
San Xil . Draußen ist es frisch, an den Tischen sitzen
die Jakobspilger, die aus dem Nebel kommen. Der Mann hinter der Theke hat die
Ruhe weg: Er widmet sich jeder Tasse „ café con leche “, als sei sie ein Kunstwerk. Ich warte geduldig, bis
ich an der Reihe bin. So lerne ich Per kennen, den Dänen, der von Astorga nach
Santiago wandert und dann weiter nach Lissabon will. Er wartet geduldig wie
ich. In Galicien stehen Wegsteine, die die Kilometer bis Santiago anzeigen: Am
Cebreiro sind es noch einhundertzweiundfünfzig. Mittlerweile sind es deutlich
mehr Jakobspilger geworden, und es werden immer mehr. Viele junge Spanier sind
in Gruppen unterwegs. Die Pilgerurkunde im Pilgerbüro in Santiago bekommt, wer
mindestens die letzten hundert Kilometer zu Fuß zurückgelegt hat und es mit den
Stempeln in seinem Pilgerpass nachweist. Überall gibt es Stempel: in jeder Bar,
in den Herbergen, in den Kirchen, wo manchmal der Pfarrer sitzt und stempelt.
Und die Betten in den Herbergen werden knapp.
    Das wusste ich ja schon, viele hatten
es erzählt und gewarnt: Besorge dir ein Bett, nach 14 Uhr kriegst du keines
mehr! Die Jagd nach einer Unterkunft beginnt, viele brechen jetzt noch früher
auf und wirken wie Pilger auf der Flucht. Ich habe mir geschworen, dass ich
diesen Zirkus nicht mitmache. Wer allein geht und nur für sich selber sorgen
muss, der kanns ja auch drauf ankommen lassen.
Notfalls kann man ja im Feld schlafen oder auch mal nachts laufen.
    In Morgade ist eine schöne Herberge, erzählt mir jemand. Es ist kurz hinter dem
Kilometerstein 100. Aber in Morgade ist kein Bett
mehr frei. Macht nichts, gehe ich eben weiter bis Ferreiros .
In Ferreiros ist auch nichts mehr frei. „Sie können
auf dem Boden schlafen“, sagt eine freundliche Dicke, die an der Tür sitzt und
die Herberge verwaltet. Also gut, das geht ja auch, denke ich und stelle meinen
Rucksack in eine Ecke. „Wo kommst du denn her?“, fragt mich Luz ,
eine junge Spanierin. Ich erzähle von meinem Start am Bodensee. So ein weiter
Weg? Sie bietet mir ihr Bett an, ich sei doch schon über 50, sie habe mein
Geburtsdatum im Anmeldezettel gelesen und sie könne mit ihrem Freund zusammen
in einem Bett schlafen. Viel Freundlichkeit auf dem Camino.

Psalmen
und der lange Marsch
     
    „ Palas de rei “ heißt Königspalast, aber im gleichnamigen Ort gibt es
am nächsten Abend weder einen Königspalast noch ein Bett für Jordi, el peregrino - also für mich. „Wir sind schon seit 14 Uhr
hier“, sagen zwei junge Mädchen, „und jetzt ist es fünf, so spät gibt es nichts
mehr.“ Weder in der Pilgerherberge noch in einer Pension oder im Hotel ist
etwas zu finden. Also gehe ich weiter und lande nach ein paar Kilometern in der Auberge „Casa Domingo“, einer Privatherberge, wo man
für sieben Euro noch einen Platz für mich hat. Auf der Terrasse sitzt Per, der
Däne, und lädt mich zu einem Glas Bier ein. „ Please sit down“, sagt er, „ you are an old man“, eine Anspielung
auf Ferreiros , wo mir Luz ihr Bett angeboten hatte, weil ich doch schon älter sei.
    Am kommenden Tag - in Arzúa beim
Kilometerstein 38 das gleiche Bild: Nachmittags um 14 Uhr ist die
Pilgerherberge schon „ completo “, ich sehe im Flur
schon die zusätzlichen Matratzen herumliegen. Man könnte es vielleicht da oder
dort versuchen, rät jemand. Aber da haben wir schon reserviert, sagt ein
anderer. Will ich eigentlich in Arzüa bleiben? Was
soll ich hier mittags um 14 Uhr? Einfach nur herumsitzen, wenn ich vielleicht
ein Bett finde? Ich beschließe, erst mal weiterzulaufen. Irgendetwas ergibt
sich. Kilometerstein 38 bis Santiago. In meiner Seitentasche ist eine kleine
Karte, die mir die jungen Leute von „ Fuente del
Peregrino“ geschenkt haben, der christlichen Herberge in Ligonde. Auf dieser
Karte ist für jeden Kilometerstein ein Vers aus dem Psalm mit der gleichen
Nummer abgedruckt. Was steht dort für Kilometer 38? Ein Wort aus dem 38. Psalm:
    „Herr,
du kennst all mein Begehren,
    und
mein Seufzen ist dir nicht verborgen.“
    Ich arbeite mich vor. Psalm 36:
    „Denn
in dir ist die Quelle des Lebens,
    und in
deinem Lichte sehen wir das Licht.“
    Psalm 28:
    „Nun
ist mein Herz fröhlich,
    und
ich will ihm danken mit meinem Lied.“
    Psalm 25:
    „Herr,
zeige mir deine Wege und lehre mich deine Steige!
    Leite
mich in deiner
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