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Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Titel: Erst mal bis zur nächsten Kuh...
Autoren: Jürgen Barth
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Perdón“,
die Tür der Vergebung, heißt deshalb das schöne romanische Portal dieser
Kirche, und Villafranca del Bierzo hat den Beinamen „das kleine Compostella“,
nicht nur wegen seiner vielen Kirchen, sondern wohl in erster Linie wegen
dieser hier zugesprochenen Vergebung.
    Heute sitzt Oskar, ein junger Spanier,
in der Santiagokirche. Er ist angestellt - nicht um Vergebung zuzusprechen,
sondern um die Besucher der Kirche zu fragen, woher sie kommen, um dann einen
Strich zu machen auf seiner Strichliste. Als Oskar merkt, dass ich aus
Deutschland bin, fängt er zu schwärmen an: er sei selber vor Jahren in
Deutschland gewesen, und er stellt sich vor, dass man dort leichter eine Arbeit
finden würde als hier in Villafranca, wo er die Strichliste führen muss. „Beten
Sie für mich in Santiago“, sagt er flüsternd, als ich gehe, „dass ich eine
richtige Arbeit bekomme!“

Mörike
und der Frühling
     
    La Faba ist das letzte Dorf vor dem
Cebreiro, der Passhöhe und dem ersten Ort in Galicien. Viele werden wohl diese
letzte Hürde in früheren Zeiten nicht mehr geschafft haben. Deshalb heißt es in
einem mittelalterlichen Pilgerlied von La Faba:
    „do leidt vil manches bidermans kyndt
    aus teutschem Llandt begraben.“
    Als ich in La Faba ankomme, ist es
gerade 14 Uhr und die Sonne scheint. Die Tür zur
Dorfkirche steht weit offen und ebenso die Tür zur schönen Pilgerherberge
gegenüber, die von der deutschen Jakobusgesellschaft „ Ultreia “
angelegt und unterhalten wird. „Komm rein, junger Mann, und setz dich!“, ruft
mir jemand auf Deutsch zu - und ich fühle mich angesprochen. Lothar ist der
Hospitalero, er kommt aus Köln, ist schon 72 und mit Leib und Seele bei der
Sache. Meinen Pilgerpass, der mittlerweile voller Stempel ist, betrachtet er
ausgiebig und voller Interesse: „Ach, in Durfort Lacapelette hast du auch übernachtet — hat dir der Wirt
auch gleich ein Glas kaltes Wasser angeboten?“ Als Lothar erfährt, wo ich
herkomme, wird er noch leidenschaftlicher: „Schau dir mal die Hausordnung an -
die in deutscher Sprache“, sagt er, und ich lese: „Schwäbische Pilger, die eine
Strophe aus dem Gedicht eines schwäbischen Dichters rezitieren können, schlafen
in La Faba umsonst.“ Also versuche ich es mit Mörike:
     
    „Frühling
lässt sein blaues Band
    wieder
flattern durch die Lüfte;
    süße,
wohlbekannte Düfte
    streiften
ahnungsvoll das Land.
    Veilchen
träumen schon,
    wollen balde kommen.
    - Horch, von fern ein leiser Harfenton !
    Frühling,
ja du bist’s !
    Dich
hab ich vernommen.“
     
    Lothar hat den Schluss mitgesprochen
und macht mit einem roten Stift ein großes „S“ hinter meinen Namen. „S“ für
Schwabe! Ich bin zwar ein Badener, aber das wollen wir nicht so eng sehen, und
ich nehme mir vor, am Abend das Glas zu heben auf meinen alten längst
verstorbenen Deutschlehrer in der Schule in Eberbach, der uns damals noch
Gedichte hat auswendig lernen lassen!
     
    Andere haben es nicht so einfach an
diesem Tag, auch wenn sie aus Baden kommen. Angy und
ihr Sohn Philipp haben ihre Rucksäcke mit dem Auto transportieren lassen zum
Cebreiro, weil sie die Schlepperei auf die Passhöhe umgehen wollten. „Wo ist
denn euer Rucksack?“, fragt Lothar streng. „Wir sind eine Pilgerherberge und
kein Hotel! Wer sich’s leicht macht, muss warten bis heute Abend um 10, ob dann noch Betten frei sind. Ihr könnt ja eure Säcke holen oben am
Cebreiro und dann wieder kommen.“ Angy und Philipp
können nicht mehr weiter, sie setzen sich in den Schatten und später zum
Abendessen in die kleine Dorfkneipe von La Faba. „Sei nicht so streng zu der
Frau“, sage ich zu Lothar, als die beiden draußen sind.
    Er schüttelt den Kopf: „Ich lass sie ja
schon übernachten, aber sie sollen nicht denken, der Jakobsweg sei ein
Sonntagsspaziergang für schlappe Touristen“ Am Abend gibt es ein Bett für Angy und ihren Sohn. Aber ein „S“ hinter dem Namen bekommen
sie nicht, obwohl sie aus Baden sind und vielleicht auch ein Gedicht aufsagen
könnten.

Galicische
Impressionen
     
    In Galicien ändert sich die Landschaft.
Grüne Hügel, viel Nebel und mehr Regen als bisher. Vor den Römern siedelten die
Kelten in Galicien, der Dudelsack, Hexenglaube und manche Traditionen werden
darauf zurückgeführt. Der Cebreiro ist völlig in Nebel gehüllt, auf den Wegen
Kuhkacke überall. In der Ferne singt ein Mann eine herzzerreißende Melodie, die
in Fetzen durch den Nebel dringt. Ich verstehe, dass
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