Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Titel: Erst mal bis zur nächsten Kuh...
Autoren: Jürgen Barth
Vom Netzwerk:
Immer wenn der
Hospitalero an ihn herantrete, erschrecke er und überlege sich, ob er
vielleicht etwas falsch gemacht habe. Ein Jakobspilger aus Burghausen meint:
„Musica classica , siempre musica classica , das läuft hier
den ganzen Tag. Wenn das nicht grade der eigene Musikgeschmack ist, grenzt das
schon an Folter!“ Aber mir gefällt’s !

Heilsame
Unterbrechung in Rabanal
     
    Angeles, eine Spanierin, erzählt mir
eine Geschichte: „Ein Mann wandert durch die Wüste. Er sieht eine Oase. Er
beginnt zu laufen, dann zu rennen, schneller und immer schneller, um sie zu
erreichen. Aber er erreicht sie nie. Er überanstrengt sich und bricht zusammen.
Nimm dir Zeit.“ Ich hatte ihr erzählt, dass ich seit Mai unterwegs wäre und
dass es nach so vielen Wochen endlich Zeit sei,
anzukommen. Nein, keine Hetze, sagt Angeles. Mach dir nicht so viele Pläne,
habe Mut innezuhalten. Lass dich nicht anstecken von der Hetze morgens um fünf
Uhr, wenn die Pilgerhandys klingeln in den Schlafsälen und viele aufbrechen mit
Taschenlampen, als ob sie auf der Flucht wären. Nein, das habe ich nie
mitgemacht. Es reicht, um sechs Uhr aufzustehen und um halb sieben loszulaufen
und dann nach acht oder zehn Kilometern irgendwo einen Kaffee zu trinken, ein
Croissant zu essen in irgendeiner Bar am Weg. Es ist zehn Uhr am Vormittag. Ich
bin 12 Kilometer gelaufen und sitze im Halbdunkel der kleinen Kirche in Rabanal
del Camino. „Willkommen in Rabanal del Camino!“ steht auf einem
grünen Zettel, auch in deutscher Sprache, der in der Kirche aufliegt.
     
    „ Willkommen,
liebe Pilgerin, lieber Pilger!
     
    Gerade
bist du in Rabanal del Camino angekommen. Die Mönche vom Kloster Monte Irago
folgen hier der Regel des heiligen Benedikt. Wir öffnen euch, Pilgerinnen und
Pilger, nicht nur unsere Haustür, sondern auch die Türen zu unseren Herzen. Wir
bieten euch das Beste an, was wir haben: das Gebet und die Vertiefung der
spirituellen Erfahrung auf dem Pilgerweg, einem Weg nicht zu einem bestimmten
Ort, sondern vielmehr zu DEM, der immer schon auf uns wartet.
     
    So
sagt der heilige Anselmo :
     
    Oh
Mensch, elend und schwach, lass deine
    gewöhnlichen
Sorgen einen Moment hinter dir.
    Komm
einen Augenblick zu dir, weit weg vom
    Sturm
deiner Gedanken.
    Lege
deine Sorgen ab, nimm Abstand von der ruhelosen Arbeit.
    Suche
für einen Augenblick Gott.
    Wenn
du willst, ruhe eine Weile in seinem Schoß aus.
    Tritt
ein ins Heiligtum deiner Seele.
    Nimm
von allem Abstand außer von Gott und
    den
Dingen, die dir helfen können, IHN zu erreichen.
    Suche
IHN in der Stille deiner Einsamkeit.
    Wir
laden dich ein, diesen Tag mit uns zu verbringen:
    auf
der Suche nach Christus, in Gott, unserem Vater,
    mit
der Kraft des Heiligen Geistes. “
     
    Ich schlage meinen kleinen Reiseführer
auf, dort hatte ich mir zurechtgelegt, wie weit ich auf der letzten Etappe an
jedem Tag kommen und wann ich in Santiago sein möchte.
Es ist zehn Uhr - viel zu früh, um schon irgendwo zu bleiben. 12 Kilometer an
einem Tag - so wenig war ich noch nie gelaufen. Aber dann bleibe ich, beziehe
später ein Bett in der Pilgerherberge Gaucelmo gegenüber der Kirche, sitze im Garten und lese das Johannesevangelium, das mir
Jan, der Holländer, geschenkt hat, bete die Vesper mit und am späten Abend die
Komplet. Christine, die ich an diesem Tag in Rabanal kennenlerne, sagt zu mir:
„Man soll sich nicht so viele Pläne machen. Ich bin den Jakobsweg gelaufen, und
erst als meine ganzen Pläne durcheinander kamen, wurde es richtig spannend.“

Der Stein - vom Loslassen und Annehmen
     
    „Ein
neuer Tag. Heute, liebe Pilgerin, lieber Pilger, erwartet dich die
Überschreitung des Monte Irago. Du erreichst das Cruz de Ferro, das Eisenkreuz,
wo du der Tradition gemäß einen Stein ablegen kannst. Wenn du willst, kannst du
zuvor beim Morgengrauen die Laudes , das Morgengebet,
mit uns feiern. Es ist schön, die ersten Lichtstrahlen des Tages durch die
romanische Apsis der Kirche fallen zu sehen. “
     
    So steht es auf dem grünen Zettel der
Mönche von Rabanal. Und so habe ich es vor an diesem Tag. Die meisten Pilger
sind längst aufgebrochen, als ich um 6.45 Uhr frühstücke. In der Pilgerherberge Gaucelmo haben die freiwilligen Helfer Kaffee
gekocht. Es gibt Brot, Butter, Marmelade, Milch. In der Kirche sitzen nur
wenige an diesem Morgen. Ein Tag bekommt ein Gesicht durch das gemeinsame Gebet
in der Frühe. „Umarme den Apostel Jakobus fest von mir“, sagt Christine, bevor
sie mich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher