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Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Titel: Erst mal bis zur nächsten Kuh...
Autoren: Jürgen Barth
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muss in der Nähe übernachten.
Und noch ein Problem: Unmittelbar unterhalb des Klosters ist eine große
Weinkellerei angesiedelt, die für vorbeiziehende Pilger eine Wasser- und
Weinquelle angelegt hat. Hier kann man kostenlos nicht nur Wasser, sondern auch
Wein zapfen, jedenfalls so viel man trinken kann. Eine Gruppe junger Leute mit
zwei Gitarren hat sich dort gelagert. Sie sitzen hier bereits vier Stunden,
erzählen sie. So lange will ich nicht bleiben, und auch der gute Rotwein kann
mich nicht fesseln - zu sehr zieht mich der versprochene Renaissancekreuzgang
bergan. Als ich am Kloster ankomme, ist noch eine halbe Stunde Zeit. Der
Kreuzgang ist wunderschön. In der gewaltigen Kathedrale lärmen ein paar Japaner
und ihr französischer Reiseführer. Als sie abgezogen sind, ist es ganz still.
Ich singe „ Jubilate Deo“ und von der mächtigen Kuppel
schwingt das Echo zurück, die ganze Kirche scheint voll Gesang zu sein. Am Ende
kommt ein Spanier angerannt. „Bravo!“, sagt er und will mit mir das Salve Regina singen. Natürlich setzt er voraus, dass ich
den Text auswendig kenne, sofort stimmt er an. Ich tue mein Möglichstes und so
erklingt im Kloster Irache wohl zum ersten Mal in seiner jahrhundertealten
Geschichte ein „evangelisches “ Salve Regina.

Freundliche Wegweisung in Willamayor de Monjardín
     
    Jan ist Holländer. Er betreut mit
anderen zusammen die kleine Pilgerherberge in Villamayor .
Er macht es einen ganzen Sommer lang - unentgeltlich. „Warum machst du das?“,
frage ich ihn. „Wir wollen den Pilgern hier einen Ort zum Rasten anbieten. Und
wir wollen ihnen auch Orientierung anbieten, ihnen einen Weg zeigen.“ „Gehört
ihr einer bestimmten Kirche an?“ „Ich bin evangelisch. Andere von uns sind
katholisch. Aber ist das wichtig? Das spielt doch gar keine Rolle auf dem Weg
nach Santiago - und auch sonst nicht.“
    Eine Krankenschwester aus Holland ist
die Köchin in Villamayor . Sie hat zwei Wochen ihres
Jahresurlaubs für diese Aufgabe eingesetzt und an diesem Abend neben Salat
Hähnchen mit Bratkartoffeln und Apfelbrei vorbereitet und zum Nachtisch Kuchen
gebacken für die rund 20 Pilger. „Wir sprechen verschiedene Sprachen“, sagt Jan
vor dem Essen, „aber ein bisschen Englisch verstehen wir sicher alle. Deshalb
will ich ein Gebet in Englisch sprechen, bevor wir essen.“ Nach dem Abendessen
gibt es ein Geschenk für die Pilger: das Johannesevangelium in der eigenen
Muttersprache. „John is the brother of James“, sagt Jan. Johannes ist der Bruder
von Jakobus, er kann uns in seinem Evangelium sagen, worauf es ankommt und was
auch für James, Jakobus, Santiago das Wichtigste war. „Ihr könnt es nachlesen
in Johannes 14, Vers 6. Das ist unser Motto hier in Villamayor .“
Ich ahne, welche Stelle er zitiert hat. Dann verteilt er das Evangelium. „Es
ist sehr leicht! Und es passt sicher noch in euren Rucksack.“, sagt Jan. Nur
für das japanische Pärchen hat er kein Evangelium in ihrer Landessprache. Aber
die beiden sprechen Gott sei Dank ja Englisch!

Siempre musica classica
     
    In Ventosa herrschen klare Regeln in
der Pilgerherberge. Der Hospitalero gibt mir gleich bei der Ankunft eine Mappe
in die Hand, in der in mehreren Sprachen zu lesen ist: Abends um zehn Uhr wird
geschlafen. Morgens um sechs Uhr Wecken mit klassischer Musik. Musica classica . Der Hospitalero ist ein Freund klassischer
    Musik, auch am Abend läuft schon dezent
Vivaldi im Hintergrund. Er weist mir ein Bett zu, nein, nicht dort, diese
Betten werden als letzte belegt, denn das Dach ist an dieser Stelle undicht,
und wenn es regnet, dann wird auch das Bett nass. Am späten Abend sind freilich
auch die gefährdeten Betten belegt, aber glücklicherweise bleibt der Regen in
dieser Nacht aus. Am anderen Morgen um sechs Uhr geht das Licht an und aus den
Lautsprechern im Haus erklingt Händels Messias. In mir erzeugt dies ein wohliges Gefühl, am liebsten möchte ich liegen bleiben
und einfach zuhören. Aber der Hospitalero steht schon unter der Tür: „Buenos dias !“ Beim Frühstück drückt er uns Jakobspilgern wieder
eine Mappe in die Hand, in der zu lesen ist: „Ein Tourist fordert, ein Pilger
dankt. Alle sind aufgefordert, das Kaffeegeschirr nach dem Frühstück abzuwaschen
und wegzuräumen“ - und das alles in verschiedenen Sprachen, sogar auf Japanisch
oder Chinesisch, damit es für alle klar ist!
    Ein junger Italiener meint schmunzelnd,
dass er sich ein wenig an seine Militärzeit erinnert fühle.
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