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Error

Error

Titel: Error
Autoren: N Stephenson
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wie man alles am Laufen hielt, also sprang er in gespieltem Entsetzen auf, machte ein komisches Aufhebens darum, alles wieder neu einzustellen, und erbot sich dann, bei seinem Dad eine Herz-Lungen-Wiederbelebung vorzunehmen. Wie viel Großvater davon tatsächlich mitbekam, war unklar, aber seinem Gesicht war anzusehen, dass er verstand, wie lustig das alles gemeint war.
    »Wie steht’s mit Ihnen«, fragte Zula, als sich alles wieder etwas beruhigt hatte. »In welcher Gesellschaft verkehren Sie denn so, Herzchen?«
    Olivia schien ihren Laptop auf einem Küchentisch aufgeklappt zu haben. Sie verdrehte die Augen und seufzte, als wäre sie bei einem großen Schwindel erwischt worden. Ihre Hände wurden groß, als sie nach dem Laptop griff. Dann schien sich ihre Wohnung um sie zu drehen, und sie sahen sich dem Anblick von Sokolow gegenüber, der einen Bademantel trug, eine Tasse Kaffee trank und durch eine Halbbrille, die ihn merkwürdig professoral wirken ließ, ein Buch las. Das rief bei der Gruppe in Iowa Ovationen hervor. Er hob seine Kaffeetasse, prostete ihnen damit zu und trank einen Schluck.
    »Ist es bei Ihnen nicht ein bisschen spät am Tag zum Aufstehen und Duschen?«, fragte Richard anzüglich. Sokolow wirkte leicht unsicher, und man konnte hören, wie Olivia ihm abseits der Kamera ein bisschen auf Russisch soufflierte. Als er den Scherz verstanden hatte, blickte er nachsichtig in die Kamera und erklärte: »Komme gerade von Sporthalle zurück.« Dann lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und hievte sein Bein auf den Tisch. Das sorgte für einen kurzen Moment des Schweigens bei denen, die vom Sofa aus zusahen. Schließlich sagte Richard: »Es steht Ihnen.«
    »Ist kleiner Preis«, sagte Sokolow. »Ist sehr kleiner Preis.« Die Mechanismen der Bildgesprächsverbindung machten es unmöglich zu erkennen, wen er ansah, aber Zula hatte das Gefühl, dass der Blick und die Worte ihr galten.
    »Es gab bei uns allen etwas, für das wir bezahlen mussten«, sagte Zula, »und wir haben auf unterschiedliche Weise bezahlt, und es war nicht immer gerecht.«
    »Bei Ihnen es gab nichts, für das Sie bezahlen mussten«, sagte Sokolow.
    »O doch«, sagte Zula, »ich glaube schon.«
    Das Schweigen, das folgte, war mehr als ein wenig unbehaglich, und nachdem sie es einen Moment lang respektvoll eingehalten hatte, schob sich Olivia ins Bild, stellte sich hinter Sokolow und sagte: »Apropos, was hört man eigentlich von Marlon?«
    »Wir skypen später mit ihm«, sagte Csongor. »In Beijing ist es noch früh am Morgen.«
    »Er arbeitet nicht mehr die ganze Nacht?«, sagte Olivia verwundert.
    »Nolan hat ihn an Bankarbeitszeiten gewöhnt«, sagte Richard. »Er hat zwar noch bis vor ein paar Stunden T’Rain gespielt, aber wir gönnen ihm ein bisschen Schlaf, bevor wir ihn damit konfrontieren.« Und er machte eine das Sofa einschließende Geste.
    »Ich finde, mit einer schöneren Besetzung kann man gar nicht konfrontiert werden«, sagte Olivia, »und es tut mir leid, dass die Regierung Ihrer Majestät Thanksgiving nicht als Feiertag begeht, sonst wäre ich auch da.« Sie senkte den Blick. »Wir wären da.«
    »Einwanderungsbehörde«, sagte Sokolow dunkel.
    »Das bekommen wir geregelt«, versicherte ihm Olivia.
    Von draußen waren Schüsse zu hören. Es war schwer festzustellen, wie die Geräusche sich über die Skype-Verbindung ausnahmen, aber Sokolows Gesichtsausdruck änderte sich deutlich.
    »Es ist nichts!«, rief Zula. »Hier, ich zeige es Ihnen!« Sie stand auf, griff nach dem Laptop, trug ihn so nahe ans Fenster, wie die Kabel es zuließen, und drehte den Bildschirm in Richtung Bach.
    Für Richard war es in Wahrheit alles andere als nichts. Er hatte sich ein halbes Jahr lang davor gefürchtet. Es war ihm unmöglich, die Geräusche von Schüssen zu hören, ohne an Dinge denken zu müssen, an die er sich nicht erinnern wollte. Er und Zula hatten sich in Seattle von demselben Arzt gegen posttraumatische Belastung behandeln lassen.
    Aber den ganzen Tag im Haus herumzulungern würde es auch nicht besser machen, und hinauszugehen und sich daran zu beteiligen würde es wahrscheinlich nicht verschlimmern. Also legten, nachdem sie das Skype-Gespräch mit liebevollen Worten und Versprechungen künftiger transatlantischer Besuche beendet hatten, alle bis auf Großvater warme Kleidung und Ohrenschützer an und gingen hinaus in Richtung Bach. Jake war dort und Elizabeth und die drei Jungen. Sie hatten sich eine Woche vom
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