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Eros

Eros

Titel: Eros
Autoren: Helmut Krausser
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möchte.«
    Aha. Sehr interessant. Wie aufregend. Ich hatte das Gefühl, dieser
Mensch wollte mich verscheißern.
    »Hören Sie! Das ist mein Vorschlag. Wir inszenieren den Tod der Inge
Schulz als Folge eines Zimmerbrands, hinterlegen einen aufgetauten
Tiefkühlbraten von gleichem Geschlecht und ähnlicher Größe. Sie nehmen Ihre
Sofie mit, passieren die Grenze und unsere Wege trennen sich.«
    Mir dämmerte langsam, daß dieser Mensch nicht mehr bestochen werden
mußte, weil er längst schon bestochen worden war. Das Telefon klingelte.
Endewitt hob ab und wirkte richtiggehend beschwingt. »Aha? Ja. Gut. Haltet sie
dort fest!«
    Er legte auf und prostete mir mit dem Kognakglas zu.
    »Ihr Auftritt, von Brücken. Nehmen Sie sie mit, den Rest überlassen
Sie uns. Haben Sie einen Paß für Sofie?«
    »Sicher!« Ich sagte es wie ein Vertreter, der jemanden von der
Qualität seiner Produkte überzeugen will. Und Angst bekommt, daß ein Geschäft
an der letzten Kleinigkeit scheitern könne.
    »Hab ich mir gedacht. Darf ich sehen?«
    »Bitte sehr.«
    Er ließ den Paß durch seine Finger gleiten, roch sogar daran. »Toll.
An der Grenze wird es keine Probleme geben. Lassen Sie die Ärmste bitte nicht
die ganze Zeit im Kofferraum liegen. Vermasseln Sies nicht. Was gäbe ich darum,
dabei zu sein. Noch etwas: Falls Frau Kramer drüben jemals Sperenzchen machen
sollte … läßt sich die Angelegenheit auch später noch auf andere Art bereinigen.
Sagen Sie ihr das. Mit Grüßen von mir. Viel Glück!«
    »Wie? Was soll ich denn nun machen?«
    »Mußt du denn nicht nach Hause, Ingelchen? Frierst du
nicht? Ah, ich sehe, du, aber den Likör kannst du nicht einfach so aufmachen.
Den muß ich dir anschreiben.«
    »Dann liebst du mich also doch nicht.«
    »In Grenzen, Inge, in Grenzen.«
    »So, wie eben alle hier. Weißt du, soll ich dir mal was erzählen?«
    Fritz Langenscheidt muß gerade Kundschaft bedienen und bittet das
liebe Ingelchen um kurzen Aufschub, dann wendet er sich ihr zu.
    »Was denn?«
    »Weißte Fritz, daß ich bei nem Banküberfall in Westberlin mal
Schokoküsse verteilt hab?«
    »So siehst du aus, Inge.«
    »Ich weiß, daß ich nicht danach aussehe. Aber um die Wahrheit zu
sagen, das mit den Schokoküssen war eine andere. Hieß auch Inge. Wir fanden nur
die Idee sehr schön und wollten sie kopieren. Dann fielen mir die Negerküsse,
ich meine, die Scheißdinger, runter. Ich frage mich, was in den Staaten aus mir
geworden wäre.«
    Fritz Langenscheidt kann ihrem Gedankengang nicht recht folgen.
    »In den Staaten? Amerika?«
    »Genau. Oder wenn ich auf diesem Schloß geblieben wäre, mit dem
Stehgeiger. Junge. Wie reich das Leben doch an Möglichkeiten ist, selbst wenn
es faktisch immer nur eines ist, und meine Schwester, meine Stiefschwester, ich
bin ja adoptiert worden, die war mal so hart, so radikal, und dann, das Geld,
das hat die verdorben, ob sie glücklich ist?«
    »Du mußt nicht so ins Detail gehen, Inge.«
    »Endewitt setzte mich am späten Nachmittag bei meiner
Frühstückspension ab, ich solle mein Gepäck nehmen, in meinen Wagen steigen und
zu einer Adresse fahren, dort könne ich Sofie abholen. Nein, nicht abholen, er
sagte: in
Gewahrsam nehmen. Ich dachte alles Mögliche, besonders das
Schlimmste. Bitte, Sie müssen mir etwas versprechen.«
    »Was?«
    »Wenn ich tot bin, müssen Sie Lukian fragen, ob er etwas damit zu
tun gehabt hat. Mir würde er das nie sagen, und ich verstehe auch, daß er es
mir nie sagen würde. Aber irgendwer hat seine Finger im Spiel gehabt. Wer, wenn
nicht er? Ich werde es wohl nie erfahren, das ist der Preis, den ich zahlen
muß. Aber es wird sein, als ob ich es erführe, wenn Sie es erfahren.
Versprechen Sie das?«
    Ich versprach es ihm.
    Übergabe
    Inge Schulz ist maßlos entsetzt, als die Kundschaft
hinausgewinkt und der Laden geräumt wird.
    »Hier wird geschlossen. Inventur. Bitte verlassen Sie den Laden!«
Inge kann von ihrem Platz aus nur Stimmen hören und das Geräusch der sich
schließenden Tür und eines Schlüssels, der sich im Schloß dreht.
    Fritz hat sie verpfiffen, denkt sie, liest aber prompt von seinem
schneeweißen Gesicht ab, daß das nicht unbedingt der Fall gewesen sein muß.
Drei Stasi-Typen kommen um die Verkaufstheke herum, stehen breitbeinig da und
sagen nicht, was sie wollen, nur Ruhe geben soll Inge, ruhig sitzen bleiben und
den Mund halten.
    Fritz L. fragt sich, wo er da hineingeraten ist, wie er das abends
seiner Frau erklären soll. Draußen
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