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Eros und Asche

Eros und Asche

Titel: Eros und Asche
Autoren: Bodo Kirchhoff
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weil die Asche auf eins meiner Bücher fiel, um das ich ihm voraus war, Moravia, Die Gleichgültigen . »Jetzt können wir nie mehr ertrinken«, sagte er irgendwann noch, jedenfalls steht das hinten in dem Moravia, der noch mit in die frühere Tennistasche kommt, und daneben steht ein Datum, 20. 6. 64.

30
    Zurück am unversteckten See (nach einem Stopp im Kreuther Tal – der Kellerspaziergang). Die Tage vor Beginn der großen Ferien, mit dabei nur das Tier, das die letzten Sätze einer Freundschaft bestimmt hat, genau ein Jahr her; wir saßen nachts auf dem Hausdach, das Tier mit einem Knochen, der Mensch mit Telefon, und aus den Olivenbäumen ein leises, beharrliches Zirpen in der Frühsommerhitze. M. hatte von seinem morgendlichen Rudern erzählt, von der Kühle in den kleinen Buchten, die auch schon eine Wärme war, durch das Licht und die Stille und die Farbe des Wassers, und auf einmal sagte er, bloß einen Hund hätte er sich manchmal gewünscht, als Gefährten im Boot oder beim Weg durch den Wald zum See, nur könnte er eben nicht mehr so laufen, als dass ein Hund neben ihm Freude hätte, und in Berlin müsste er ja auch mit ihm auf die Straße hinunter, vier Etagen, und wieder hinauf, also sei’s für einen Hund zu spät. Und hier entstand eine Pause, er steckte sich eine an, aber leise, als sollte der Freund nicht hören, dass er trotz seines Lungenchaos noch rauchte, und ich sagte, um gar nicht erst auf das Thema zu kommen, ich könnte ihn doch mit unserem Hund besuchen, der würde auch mit aufs Wasser gehen. Ich hatte vorher nie von dem Hund erzählt, und ich sagte der , obwohl es gar kein Rüde ist, sondern das kleine Zottelweibchen, das neben mir sitzt, und M. sprang sofort darauf an. Er wollte alles über ihn wissen, seinen Namen, die Größe, die Kopfform, die Farbe und die Art des Fells, vor allem aber, wie sein Blick sei und wie er sich Fremden gegenüber verhalte, und ich beantwortete all das wahrheitsgemäß, nur nicht die Frage nach dem Namen. Er heißt Lorca, sagte ich (und musste nicht nachdenken, weil dieser Hundename in einem Buch vorkam, das ich mit mir herumtrug, Die kleine Garbo ). M. wiederholte den Namen, er rief ihn, als sei ihm der Hund morgens im Wald davongerannt, Lorca!, und brach darüber in einen Husten aus, der die letzten zwei, drei Minuten, die uns noch blieben, begleitet hat. Ob Lorca gern schwimmen würde, fragte er hustend und ich darauf: Er sei eine Wasserratte und sehe auch im Wasser so aus, klein und glatt, und nach dem Baden, wenn er sich schüttle, klein und gerupft, und M. brachte eins seiner Lieblingsworte, erbärmlich – dann sähe Lorca erbärmlich aus, drang es aus einem Lachhustenanfall, genau wie wir, nach dem Schwimmen über den See, als wir abends ans Ufer gekrochen seien, ob ich mich erinnern würde, und ich sagte nur, er hätte mich drüben eingeladen, zu Schweizer Schokolade und Cola und zwei Zigaretten, und da kam er mit seiner Bitte oder dem Appell, unsere Dinge in einen Roman zu packen, als könne dieses Buch noch einmal das Floß unserer Körper und unserer Geschichten sein, das uns zurück über den See gebracht hat. Dann schon sein Halt die Ohren steif, knapp, und von mir ein Du auch, ebenso knapp, und von ihm ein bejahendes Husten, das wohl ein verneinendes Husten war, das Letzte, was ich von ihm gehört habe.
    Und die kleine Hündin, der es egal ist, ob man aus ihr einen Hund macht, liegt auf dem Stuhl, auf dem sonst die Tochter sitzt, den warmen Kopf an meinem Arm, und ohne ihre Gesellschaft wäre es sicher noch schwerer, etwas nachzuholen, das vor drei Monaten, am Beginn dieser Freundschaftsarbeit, noch unmöglich war. In der Musikanlage auf der Terrasse dreht sich die selbstgebrannte CD, die M. in der Zeit seiner Verflüchtigung täglich beim Rauchen im Bad gehört hat, und auf die er in seiner abenteuerlichen Schnellschrift, hinter der, glaube ich, nur eine Frauenhandschrift versteckt war, den Namen des Sängers geschrieben hat, Antony . Und schon nach einem Klavierton, als gäb’s keine anderen, bricht dessen knabenhafte Klage aus, I find you with red tears in your eyes, wie aus einem fremden Leib, in dem sie eingesperrt war. Nur drei Lieder sind auf der Scheibe, Ergebnis einer Destillation, die M. auch schon beim Zusammenstellen seiner Tonbänder betrieben hatte; drei schmerz- und glückverströmende Kantaten spät am Abend, während die Fledermäuse über dem Pool ihre lautlosen Kunststücke vollführen, Anflug, Abflug, dazwischen die
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