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Ernteopfer

Ernteopfer

Titel: Ernteopfer
Autoren: Harald Schneider
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hält noch der Fiskus die Hand auf. Aber man kommt über die Runden. Allerdings nur mit den billigen polnischen Erntehelfern und vielen Aushilfen, die nur pauschal versteuert und versichert werden. Wenn wir da Fachpersonal einstellen müssten, dann könnten wir den Laden gleich dichtmachen. Die Discounter machen die Preise schon seit Jahren kaputt.«
    »Warum ich eigentlich da bin, wissen Sie wahrschein lich schon. Herr Siegfried hat Ihnen sicher schon gesagt, dass wir Herrn Schablinski tot aufgefunden haben. Wir brauchen möglichst viele Informationen, alles was Sie über ihn wissen.«
    »Ich weiß schon Bescheid. Deshalb habe ich Ihnen von allen Unterlagen eine Kopie gemacht. Allzu viel ist es nicht, denn er war das erste Mal bei uns. Er scheint ein ziemli cher Einzelgänger gewesen zu sein, recht kontaktscheu, möchte ich fast sagen, und in unserer Wohncontainerstadt hat er sich auch eine Einzelzelle gemietet.«
    »Was hat er? Er hat eine Einzelzelle gemietet?«
    »Ja, so sagen wir dazu. Unsere Arbeiter können sich in unsere Wohncontaineranlage einmieten, wenn sie möch ten. Jedenfalls solange sie für uns arbeiten.«
    »Sie verlangen Geld dafür, dass diese Leute in Ihren Containern wohnen dürfen?«
    »Warum nicht? Sie erbringen eine Arbeitsleistung, dafür werden sie entlohnt. Sie müssen irgendwo wohnen und irgendwas essen. Dafür müssen sie bezahlen. Das ist doch bei Ihnen genauso. Ich glaube nicht, dass Sie als Beamter Ihre Wohnung bezahlt bekommen, oder?«
    Damit hatte er natürlich recht. Trotzdem, in Ordnung war das nicht. Werden hier vielleicht Arbeiter ausgebeu tet? Im Prinzip konnte mir das aber egal sein, schließlich war ich wegen eines Kapitalverbrechens hier.
    »Ich muss Sie leider bitten, mir diese sogenannte Einzel zelle, die Schablinski bewohnt hat, zu zeigen. Wir werden sie für ein paar Tage versiegeln müssen. Ich hoffe, Sie kön nen den Mietausfall verkraften.«
    Petersen schien keinen Humor zu haben, jedenfalls ver stand er meine kleine Anspielung nicht. Er drückte mir nach einem prüfenden Blick auf seine Armbanduhr eine Klarsichthülle mit einem Stapel Kopien in die Hand und zog anschließend einen dicken Schlüsselbund aus einer Schublade seines Schreibtischs.
    »Na, dann lassen Sie uns mal rübergehen.«
    Mannomann, dachte ich mir, als ich die Rolex an sei nem Arm bemerkte. Die Geschäfte scheinen sich doch sehr zu lohnen.
    Das Containerdorf bestand aus rund drei Dutzend recht eckigen Bürocontainern, wie sie auch häufig auf Großbau stellen zu finden waren. Am Rand stand noch ein Toiletten- wagen, dem sich ein Waschwagen anschloss. Die Wege zu den Behausungen waren mit Europaletten gepflastert, sodass man bei Regenwetter einigermaßen trockenen Fußes laufen konn te. Zwischen den einzelnen Gebäuden hing eine Vielzahl von Wäscheleinen mit unzähligen Wäschestücken. Petersen ging in einen Container, der ziemlich weit abseits stand.
    »Hier können Sie es sich anschauen, Herr Palzki. Jeder Container ist in drei Räume unterteilt, sogenannte Zellen. In jeder wohnen normalerweise drei Leute. Jakub war die große Ausnahme, er hatte diese Zelle, vor der Sie gerade stehen, alleine gemietet.«
    Ich rechnete mir im Kopf die Gesamteinwohnerzahl aus. Rund 35 Einheiten mal neun Personen, da kommt schon was zusammen.
    »Wie viel musste Schablinski für seine Zelle bezahlen?«, fragte ich nach.
    »Nicht viel«, winkte Petersen ab.
    »Pro Person kostet das gerade 200 Euro im Monat, in klusive Nebenkosten und Benutzung des Toiletten- und Waschraumes. Die Miete behalten wir gleich vom Lohn ein. Bei Jakub war das natürlich das Dreifache, aber er wollte es so.«
    Ich schluckte, verkniff mir aber jeden Kommentar zu dieser Ausbeuterei.
    »Wo treiben sich die vielen Leute im Moment herum? In den Hallen arbeitet doch nur ein Bruchteil von denen, die hier wohnen. Oder haben Sie neben dem Großmarkt eigene Äcker?«
    Verlegen drückte sich Petersen um eine Antwort. Ich sah ihm an, wie peinlich ihm diese Frage war.
    »Nein, eigene Bewirtschaftungsflächen haben wir nicht. Es kommen aber schon einige Arbeiter zusammen, Sie haben noch nicht alle Hallen gesehen. Außerdem stehen zurzeit noch ein paar Container leer.«
    Ich begnügte mich mit seiner offensichtlichen Lüge. Seine plötzliche Erleichterung sprach Bände. Zur Ab lenkung betrat ich nun vorsichtig Schablinskis Zelle und streifte mir ein Paar Einweghandschuhe über, die ich aus meiner Tasche zog. Auf einer schwarzen Isomatte lag zu sammengerollt
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