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Ernteopfer

Ernteopfer

Titel: Ernteopfer
Autoren: Harald Schneider
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    Es hätte so ein schöner Tag werden können.
    Ich klappte die leicht vergilbte Sonnenblende meines Dienstwagens nach unten, schaltete das Frischluftgebläse eine Stufe höher und fühlte mich eigentlich recht zufrieden.
    Die obligatorische Sommerhitzewelle würde erst in ein paar Wochen die Ebene zwischen dem linksrheini schen Pfälzer Wald und dem rechtsrheinischen Odenwald zum Brutnest aufkochen und die Ozonwerte in die Höhe schnellen lassen. Der meteorologische Sommeranfang lag erst ein paar Tage zurück und die Temperaturen waren rund um die Uhr erstaunlich gut auszuhalten.
    Das einzige Ärgernis waren mal wieder die vielrädrigen Blechkolosse, die den rechten Fahrstreifen der vierspurig ausgebauten B 9 zwischen Speyer und Ludwigshafen im Dauerabonnement blockierten. Unter Spediteuren und Kraftfahrern hatte es sich längst herumgesprochen, dass man hier ein gutes Stück der A 61 mautfrei umfahren konn te. Die in der Presse veröffentlichten Zählstatistiken des Lkw-Verkehrs vor und nach der Mauteinführung erga ben zwar keine signifikante Erhöhung des Lastwagenver kehrs, die gefühlte Mehrbelastung sprach aber eine andere Sprache. Auch meine Kollegen von der Kriminaldirekti on pflichteten mir bei. Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
    Ich fühlte, dass an diesem schönen Tag noch irgendet was passieren würde.
    Und schon meldete sich das Funkgerät durch ein leich tes Schnattern. Im gleichen Moment leuchtete die rote Empfangsdiode.
    »Palzki«, meldete ich mich kurz und bündig.
    »Du kannst dir deinen Ausflug nach Ludwigshafen ab schminken. Dreh bitte schnellstmöglich um. Wir brau chen dich.«
    Ich hatte Peter Kleiner erkannt. Damit fing es immer an. Und natürlich war wieder Freitag, und natürlich be deutete das wieder Wochenendarbeit.
    »Was gibt es so Wichtiges, Peter? Hat mal wieder ein Kollege den Colaautomaten mit einem Stück Draht blo ckiert und der Kasten hat dir eine Diätlimonade spen diert?«
    »Du weißt doch ganz genau, dass du vorhin die letz te beschissene Diätlimonade abbekommen hast«, lästerte mein Kollege und wurde gleich wieder dienstlich. »Au ßerdem wirst du erwartet. Vor ein paar Minuten wurde uns ein Toter gemeldet, wahrscheinlich Fremdeinwirkung. Der Notarzt ist schon eingetroffen und die Spurensiche rung unterwegs. Also wird es Zeit, dass auch du dort auf tauchst.«
    »Könntest du mir freundlicherweise noch sagen, wo ich genau hin muss?«
    »Klar doch, Reiner. Schifferstadt, Mutterstadter Straße, stadtauswärts, linkerhand direkt zwischen den alten Bahn gleisen und der neuen ICE-Trasse. Nicht zu verfehlen.«
    »Okay, habs verstanden, in ein paar Minuten bin ich dort, Ende.«
    Ich nahm die Ausfahrt Limburgerhof und fuhr kurz darauf bei Mutterstadt durchs Gewerbegebiet Fohlenwei de in Richtung Schifferstadt zum Tatort.
    Dabei trommelte ich wütend mit beiden Fäusten auf dem Lenkrad herum. Verdammte Scheiße, warum musste das gerade heute passieren? Warum können sich die Leu te nicht am Montag oder Dienstag ermorden lassen? Wie bringe ich das nun wieder Stefanie bei? Um halb sechs will sie mit den Kindern bei mir sein. Hoch und heilig habe ich ihr versprochen, dass Paul und Melanie bis Sonntag abend bleiben können. Nichts, aber auch gar nichts könne diesmal dazwischenkommen. Am Samstag wollte ich mit meinen beiden Kindern nach Haßloch in den Holiday Park fahren und am Sonntag nach Mutterstadt ins Aqua bella zum Schwimmen. Stefanie wollte nach Frankfurt zu ihrer Mutter fahren.
    Ich rief mich selbst zur Ruhe. Noch war es erst kurz nach 10 Uhr morgens. Vielleicht handelte es sich ja nur um ein einfaches und offensichtliches Kapitalverbrechen. Überzeugt war ich davon aber nicht.
    Fast wäre ich am Kreisel in der Fohlenweide einem VW- Passat in die Flanke gefahren, so sehr war ich in Gedanken versunken. Der schimpfende Passatfahrer zeigte mir den Vogel. Ich strafte ihn mit Nichtachtung.
    Die Straße war bereits ab der Schifferstadter Umgehungsstraße komplett gesperrt. Ich wurde von einem Kollegen der Verkehrspolizei durchgewunken und fuhr deswegen noch wenige Meter weiter, bis ich unter der neu en, auf einem Damm befindlichen ICE-Trasse durch war. Diese lief hier als Tangente nur etwa 100 Meter parallel zur älteren Bahntrasse und sah aus wie ein Schildbürger streich. Tatsächlich ging es aber um Minuten. Drei oder gar vier Minuten, wie ich mich zu erinnern glaubte. Soviel schneller jedenfalls war durch die Umgehung des langsa men Schifferstadter
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