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Ernteopfer

Ernteopfer

Titel: Ernteopfer
Autoren: Harald Schneider
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Bahnbrücke hoch. Zwei Minuten später sah ich bereits außerhalb des Ortes rechts die großen Hallen des Gemüsegroßmarktes S. R. Siegfried im freien Feld stehen. Ein breiter Lkw-tauglicher Zufahrtsweg führ te beidseitig um die Hallen herum. Ich zählte vier gleichar tige Hallen unterschiedlicher Größe, die durch überdachte Fußwege miteinander verbunden waren. Mehrere offene sowie geschlossene Lastwagen standen rücklings an einer Rampe zur Be- oder Entladung. So genau konnte ich das nicht erkennen. Von der Straße aus, etwas durch die Hallen versteckt, stand im Hintergrund ein zweistöckiger Büro trakt. Schlicht und funktional, könnte man sagen. Noch weiter hinten, mitten in einem Maisfeld, befand sich eine ganze Reihe von Wohncontainern.
    Ich fuhr auf den Parkplatz neben dem Bürogebäude und stellte meinen Wagen neben einem hellblauen VW-Transpor ter mit RP-Kennzeichen ab. Einen zufällig daherkommen den Arbeiter fragte ich, wo ich Herrn Siegfried finden könn te. Er schaute mich nur mürrisch an und zeigte stumm auf die größte Halle, bevor er grußlos weiterging. Na, da scheint ja ein tolles Betriebsklima zu herrschen, dachte ich mir.
    Von innen wirkte sie noch gewaltiger als von außen. Ein nicht definierbarer Geruch stach mir in die Nase und erin nerte mich sofort an den multilingualen Salvatore aus Der Name der Rose. Nur, dass es sich hier um kein Sprachen wirrwarr handelte, sondern eher um ein Gemüsegeruchs ensemble der besonderen Art. Wo ich hinschaute, sah ich viele Meter hohe Steigen mit Spargel, Rettich, Radieschen, Kartoffeln. Dazwischen Gabelstapler, Förderbänder und kaum Menschen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie diese Mengen von Erntegut mit so wenig Personal in kürzester Zeit angeliefert und verteilt werden sollten.
    Dann stand er vor mir. Es war mir sofort klar, dass es sich bei diesem Typen um Samuel Siegfried handeln muss te. Mit seiner schweren Goldkette, seiner Machofrisur, überhaupt seinem gesamten Erscheinungsbild bediente er alle mir geläufigen Klischees eines Zuhälters.
    »He, was machen Sie da?«, fragte er mich barsch. »Ach so, Sie müssen der Kriminaler sein, der angekündigt wur de. Mein Name ist Siegfried, ich bin der Boss von dem Laden hier.«
    Er drehte sich um und schrie zwei seiner Arbeiter an, die gerade ein Laufband einrichteten.
    »Jetzt legt endlich mal einen Zahn zu, ihr Halunken, ich bezahl euch nicht fürs Pennen!«
    Dann wandte er sich wieder mir zu.
    »Das, was Sie hier sehen, ist keine Zeitlupenaufnahme. Diese Typen sind wirklich zu langsam. Man bekommt kein gutes Personal mehr. Dann soll ich noch zehn Prozent in ländisches Personal einstellen. Ja, haben denn die Politiker den Arsch offen? Wo soll ich die denn hernehmen? Ich will Ihnen was sagen: Zehn Hartztypen wurden von der ArGe angeschrieben, um sich hier vorzustellen, vier sind gekom men. Einen hab ich gleich wieder zum Teufel geschickt, die anderen drei haben nicht mal eine Woche durchgehalten. Alles verweichlichte Sesselfurzer heutzutage. Die hocken im Sommer lieber am Baggersee. Meine Polen hier, die ar beiten noch, um ihre Existenz zu Hause abzusichern. Das macht sie aber nicht schneller, da musst du mit der Peitsche nachhelfen. Aber die sind wenigstens da.«
    Mein Kollege Steinbeißer hatte recht. So einen arrogan ten und selbstherrlichen Menschen hatte ich schon lange nicht mehr gesehen. Mich würde es nicht wundern, wenn der nebenher noch ein paar Frauen laufen hätte.
    »Tag, Herr Siegfried, mein Name ist Palzki, Kriminal hauptkommissar Reiner Palzki. Ich komme wegen Ihres Arbeiters Jakub Schablinski. Mein Kollege hat Ihnen ja bereits telefonisch mitgeteilt, dass wir ihn heute Morgen tot aufgefunden haben.«
    »Die arme Sau, das hatte er nicht verdient. War ein an ständiger Kerl, hat sogar studiert. Normalerweise arbeitete er hier in der Halle und nicht draußen auf dem Feld. Er war so eine Art Vorarbeiter, wissen Sie? Heute Morgen ist er allerdings nicht angetreten. Ich habe erst gedacht, er hat verpennt, doch sein Zimmer war leer. Na ja, wäre nicht der Erste gewesen, der verschwindet, weil er die Schnauze voll hatte. Irgendwann kommt dann aus Polen ein Brief von einem Anwalt mit der Forderung, das restliche Geld zu schicken.«
    Er lachte.
    »Da können die fordern, so viel sie wollen. Da nützt die EU-Mitgliedschaft nichts.«
    »Herr Siegfried, zunächst möchte ich mir Gewissheit verschaffen, ob das Opfer tatsächlich Jakub Schablinski ist. Würden Sie sich bitte dieses Foto
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