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Erlöst mich: Thriller (German Edition)

Erlöst mich: Thriller (German Edition)

Titel: Erlöst mich: Thriller (German Edition)
Autoren: Simon Kernick
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noch hatte sie leicht gehumpelt, doch inzwischen war die Schusswunde in ihrem Fuß, die sie einem Handlanger von Wise zu verdanken hatte, verheilt und hatte nur eine unregelmäßige Narbe zurückgelassen. Und mittlerweile lief sie zusätzlich zu ihrem Kick-Box-Training dreimal die Woche zehn Kilometer durch den Park.
    Nun lief sie um ihr Leben.
    Und suchte Vergeltung.
    Sie nahm drei Stufen auf einmal, übersprang die letzten vier und sprintete dann über den schmalen Grasstreifen, der sich zwischen der Mauer der Villa und einem steilen Abhang entlangzog. Unter ihr gähnte der Abgrund, oben brüllten die Filipinos, und plötzlich zischte eine Kugel an ihrem Kopf vorbei. Doch Tina ließ sich nicht beein-drucken  – Schüsse aus Handfeuerwaffen auf große Distanz waren besonders in der Dunkelheit selten genau, und sie glaubte nicht, dass es sich bei den Filipinos um Scharfschützen handelte. Sie rannte weiter und erreichte die Bäume. Hinter ihr schlugen drei weitere Schüsse ins Unterholz.
    Die Baumreihe endete, und vor ihr erstreckte sich ein rechtwinkliger Swimmingpool, der von einem frisch gemähten Rasen eingerahmt wurde. Nach vorne hin hatte man das Gebüsch abgeholzt, um freie Sicht aufs Meer zu haben. Wise war noch zehn Meter vor ihr und hielt auf eine Baumreihe zu ihrer Rechten zu. Während er über die Steinplatten der Poolumrandung hetzte, sah er sich um, erkannte Tina und versuchte, seine bereits kürzer werdenden Schritte zu beschleunigen.
    Doch als er ein Sommerhäuschen passierte und durch einen Palmenhain hechelte, holte Tina ihn ein. Der Hain öffnete sich zu einer kleinen versteckten Lichtung, in der eine Hollywoodschaukel stand. Wise hörte Tina aufschließen und stieß einen verzweifelten Schrei aus. Doch es war zu spät.
    Tina sprang ihm in den Rücken und warf ihn zu Boden wie eine Löwin, die eine Antilope reißt.
    Er schlug hart im Gras auf, und Tina zog ihn herum und ließ eine Salve von Schlägen auf sein Gesicht niederprasseln. Er wehrte sich nicht einmal mehr, sondern bettelte weinend um Gnade. Sein Gesicht war tränenüberströmt.
    »Es tut mir so leid«, jammerte er, während ihm das Blut aus Nase und Mund tropfte und Tina immer weiter auf ihn einprügelte, bis ihr die Fäuste wehtaten und sie nur noch sein gequältes Schluchzen hörte und ihren keuchenden Atem.
    Sie presste mit den Knien seine Arme auf den Boden und sah auf ihn hinab. Sein Gesicht war eine blutige Masse, seine Augen begannen bereits zuzuschwellen. Sie wusste, sie würde ihn töten müssen. Dies war der Augenblick, den sie sich Tausende Male herbeigesehnt hatte.
    Und doch, etwas hielt sie zurück. Das Bewusstsein, dass sie Polizistin war, die dafür bezahlt wurde, Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Sie konnte keinen kaltblütigen Mord begehen, ganz egal, womit sie provoziert wurde.
    »Bitte nicht«, wimmerte Wise mit brechender Stimme. »Ich weiß, dass ich unrecht getan habe, aber nicht einmal ich habe das verdient.«
    Sie spürte, wie sie unsicher wurde. Sie brachte es nicht über sich. Nicht mit bloßen Händen. Auch anders nicht.
    Doch dann sah sie es. Zwei Meter entfernt, im Schatten einer Akazie. Ein kleiner Hügel aus polierten Steinen. Und daneben noch einer, und noch einer.
    »Oh mein Gott.«
    Dieser versteckte Hain mit der Hollywoodschaukel war ein Friedhof. Der Friedhof für Wise’ Opfer, der Ort, an dem er sitzen und die Qualen heraufbeschwören konnte, die er seinen Opfern zugefügt hatte. Lene Haagen lag dort, und andere Mädchen. Auch Tina wäre hier gelandet, wenn Wise es geschafft hätte, seinen Plan zu verwirklichen.
    Er wusste, dass sie es wusste. Sie sah es in seinen Augen.
    »Bitte …«, flehte er.
    Doch nun war es zu spät, denn plötzlich wurde Tina von einer solchen Welle des Zorns erfasst, und alles was Paul Wise je verbrochen hatte – nicht nur, was er ihr und ihren Liebsten angetan hatte –, sondern auch seine Folterungen und Morde an den vielen armen Kindern, die nie mehr nach Hause kommen würden, weil er sie für seine wilde kranke Lust missbraucht hatte, spulte sich vor ihrem inneren Auge ab, und ihre Hände krallten sich um seinen Hals und drückten so fest zu, dass nichts in der Welt ihren Griff hätte lockern können.
    Wise trat und bockte unter ihr, aber es nützte ihm nichts. Selbst als sie sah, wie sich sein Gesicht verfärbte und sich seine Augen beim letzten verzweifelten Schnappen nach Atem weiteten, hielt sie den Druck aufrecht und drückte fester und fester, bis die
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