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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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vorgeworfen, er hätte mir den Rücken zugekehrt, aber da irrte ich mich. Ich habe ihm den Rücken zugedreht. Begreifst du nicht? Hilary … sie hat mir alles so deutlich gemacht. Als sie da im Wald starb … da sagte sie mir, dass Gott noch bei mir wäre und meine Schritte lenken würde. Sie sagte mir, dass Er sein Versprechen halten und über Amber Lily wachen wird, bis wir sie wieder wohlbehalten in den Armen haben. Und jetzt … jetzt diese Glocken. Hör doch nur!“
    Jameson sah die Erleichterung in ihren Augen und wünschte sich von ganzem Herzen, die Glocken würden tatsächlich läuten.
    „Das muss etwas bedeuten, Jameson. Es muss. Gott hat mich nicht verflucht. Ich hätte mich um ein Haar selbst verflucht, weil ich das glaubte, aber jetzt nicht mehr. Alles wird gut.“
    „Ja“, sagte er. „Wird es. Ich verspreche es.“
    Sie strich ihm über das Gesicht. „Komm mit.“
    Und er nickte, er wollte sie nicht enttäuschen. Sie nahm seine Hand und ging unter den Pinien dahin, höher und höher einen bewaldeten Hang hinauf. Und als der Wind kräftiger wurde, da glaubte Jameson plötzlich, er könne sie ebenfalls hören … Kirchenglocken.
    Ich folgte dem Klang dieser Glocken wie hypnotisiert, ich hatte gar keine andere Wahl. Ich musste das Haus Gottes betreten und niederknien und ihn um Vergebung bitten. Ihm sagen, dass ich jetzt alles begriffen hatte. Was mir zugestoßen war, das war nicht ohne Grund geschehen, und wer war ich, mir ein Urteil darüber anzumaßen? Ich wusste gar nichts. Nur, dass Gott immer noch einen Plan mit mir hatte. Er hatte sich nicht von mir abgewendet. Das hatte ich nur geglaubt.
    Als wir die Hügelkuppe erreichten, hörte ich den Vampir leise murmeln. Die Glocken waren verstummt, aber jetzt sah ich die winzige Kapelle schon, die zwischen den dunkelgrünen Pinien stand. Wir waren durch den Wald dorthin gelangt, aber es führte auch eine schmale, kurvige Straße, die von der Stadt kam, hinauf. Der Turm wirkte alles andere als spektakulär. Fenster aus gewöhnlichem Glas, kein Buntglas. An der Vorderseite entdeckte ich eine kleine Tür.
    Ich seufzte erleichtert. Es schien mir, als wäre ich nach Hause gekommen. Und ich ging die Stufen hinauf. Jameson folgte mir, hielt meine Hand, blickte mich oft an. Die Tür war nicht verschlossen, aber das hatte ich schon geahnt.
    Das Innere wurde von Kerzenlicht erleuchtet, das auf den Holzbänken und dem Altar flackerte. Eine einzige Gläubige saß da, eine Frau in der ersten Reihe, mit einer Babytasche, die vor ihr stand. Ich erkannte sie.
    „Sieh doch“, flüsterte ich Jameson zu. „Sie ist es.“
    Er nickte. „Ja, die Frau, die den Autounfall hatte.“
    „Für deren Kind du dein Leben riskiert hast.“ Ich drückte seine Hand.
    Jameson setzte sich in die erste Reihe und ließ mich allein weitergehen. Ich bekreuzigte mich, kniete vor dem hölzernen Kruzifix nieder, das auf dem Altar stand, und betete stumm.
    Jameson sah, wie Angelica niederkniete. Mit einem Mal wirkte sie so verklärt. Und er wusste, es bedeutete ihr viel, dass sie ihren Frieden mit Gott schloss. Er setzte sich neben die Frau, deren Namen er nicht kannte. Erstaunt blickte sie ihn an, dann lächelte sie.
    „Sie!“, flüsterte sie ihm zu.
    „Ja. Schöner Zufall, was? Wie geht es der Kleinen?“
    „Alicia geht es gut“, flüsterte die Frau, schüttelte jedoch den Kopf.
    Jameson zog die Stirn in Falten. Er spürte, wie aufgewühlt sie war. „Stimmt was nicht?“
    „Nein. Nein, alles in Ordnung. Es sind nur … so viele seltsame Dinge geschehen. Dass wir uns wiedersehen, ist vermutlich das Geringste davon.“ Sie schloss die Augen. „Zwei Wunder in so kurzer Zeit. Zuerst Sie und das … das wunderschöne Mädchen. Sie haben mein Baby gerettet. Und dann …“
    Sie legte den Kopf zur Seite. Sanft wiegte sie die Babytrage vor sich. „Und dann?“
    „Und dann … ich weiß nicht genau. Aber ich glaube, ich hatte Besuch von einem Engel.“
    Gott, warum musste Religion so viele Menschen so verwirren, fragte er sich.
    „Und sie war wunderschön. Ein Engel mit den gütigsten braunen Augen, die ich je gesehen habe. Ganz in Weiß gekleidet und irgendwie … irgendwie leuchtend.“
    Angelica erstarrte. Aber sie drehte sich nicht um. Kniete nur starr da und hörte zu.
    „Und … was wollte dieser Engel?“, fragte Jameson.
    „Es war unglaublich.“ Die Frau schüttelte schon wieder den Kopf. „Sie sagte, dass ich eine Schuld auf mich geladen hätte. Dass mein Baby für mich
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