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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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gerettet worden wäre, und jetzt müsste ich dafür ein anderes Baby retten. Sie trug ein kleines Bündel in den Armen. Einen Säugling. Und sie gab sie mir und sagte, ich müsste dafür sorgen, dass ihr kein Leid geschieht, bis ihre Mutter sie holen kommt.“
    Angelica stieß einen leisen, gequälten Schrei aus. Sie stand auf und drehte sich langsam um. Und ihre Augen waren geweitet und so voller Hoffnung. Jameson würde der Frau den Hals umdrehen, wenn sie sich hier etwas ausdachte.
    „Der Engel sagte“, fuhr die Frau fort und sprach langsamer, während sie Angelica in die Augen sah, „ich würde die Frau erkennen, wenn ich sie sähe.“ Und dann lächelte sie. „Sie sind es, nicht?“
    Aber Angelica brachte keinen Ton heraus. Sie machte den Mund auf, aber kein Laut war zu hören. Große Tränen traten ihr in die Augen und quollen über.
    „Ja“, sagte Jameson. „Wenn Sie ein vermisstes Baby gefunden haben, dann ist es unseres. Bitte …“
    „Irgendetwas sagte mir, dass ich hierherkommen sollte. Dass ich einfach in die Kirche gehen und warten sollte. Und tatsächlich …“ Sie schüttelte wieder den Kopf, stand auf, beugte sich über die Trage und schlug die Decke zurück.
    Jameson schaute hinein. Angelica blieb jedoch wie angewurzelt stehen, als hätte sie Angst davor, hinzusehen. Angst davor, ihre kleine Tochter könnte nicht da sein.
    Das pummelige Baby mit dem karottenfarbenen Haar, Alicia, lag in der Trage. Und daneben lag ein kleineres Baby mit rabenschwarzen Locken und großen, ebenholzfarbenen Augen, die zu ihm aufsahen.
    Sein Herz schien in seiner Brust anzuschwellen, bis er dachte, es würde platzen. Er beugte sich über die Trage und streckte seine großen Hände aus, um das zierliche Bündel zu nehmen. Er nahm sie, schloss die Augen, hob sie hoch und drückte sie fest an sich.
    „Amber Lily“, hauchte er, denn es schien, als könnte er kein lautes Wort herausbringen. Sein Gesicht war tränenüberströmt. Und als er die Augen wieder aufschlug und den Kopf hob, da sah er Angelica blinzelnd und benommen dastehen, die wunderschönen Augen auf das Kind gerichtet. Sie holte tief Luft und sank zu Boden. Es schien, als hätten ihre Beine nachgegeben.
    Jameson ging zu ihr und kniete sich nieder. Und dann drückte er das Mädchen ganz behutsam in die Arme seiner Mutter. Angelica zitterte am ganzen Körper und lächelte und weinte und zitterte in einem. Sie küsste das Baby auf die Stirn, das mit seiner winzigen Hand eine ihrer Haarsträhnen ergriff und daran zog.
    Angelica sah mit tränennassen Augen zu ihm auf. Und in diesem Moment wusste er, dass er sie liebte. Er liebte sie. Und er liebte ihr gemeinsames Kind. Er würde sie immer lieben. Ganz gleich, was auch geschah. Und ein Teil von ihm, ein sehr großer Teil, wollte sie beide in die Arme schließen und zu einer abgelegenen Hütte fliehen und dort für alle Zeiten leben.
    Aber ein anderer Teil von ihm wusste, dass das unmöglich war. Und nicht nur, weil Angelica nie für ihn empfinden konnte, was er für sie empfand. Sondern weil es keine Zuflucht, kein Glück für sie gab, solange das DPI noch existierte.
    Kein anderer würde es vernichten, dachte er, und als er die Frau, die er liebte, mit seiner Tochter in den Armen sah, da wurde ihm klar, warum. Niemand sonst hatte einen so überzeugenden Grund dafür.
    Er streckte die Hand aus und strich zärtlich über Angelicas Wange. „Warte hier, Angel“, bat er sie. „Ich gehe in die Stadt zurück und hole den Wagen, und dann verschwinden wir von hier.“
    „Ja.“ Sie sah ihn nicht an, als sie das sagte. Sie hatte nur Augen für das Kind, und diese Augen waren so voller Liebe, er konnte sich gar nicht sattsehen.
    Er bückte sich, küsste das Kind, drehte sich um und verließ hastig die Kapelle. Jameson nahm sich nur kurz Zeit, die Lage zu checken. Niemand war da, und niemand sah ihn durch den Wald hinter der Stadt schleichen. Dann schlug er einen Weg ein, der ihn hinter die leer stehende Blockhütte führte, wo das Auto parkte.
    Jetzt war Eile geboten. Er stieg in das Auto ein, fuhr die lange Zufahrt hinunter, schaltete hoch. Durch die Stadt musste er allerdings langsam fahren, was ihm sehr schwer fiel. Ein Raser hätte Aufmerksamkeit erregt. Jetzt sah er keine offiziellen Autos mehr am Straßenrand. Und keine Männer in dunklen Anzügen oder Trenchcoats, die an Haustüren klopften oder Passanten befragten.
    Was zum Teufel ging hier vor sich? Sie konnten nicht aufgegeben haben, oder? Nicht so
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