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Erik der Wikinger

Erik der Wikinger

Titel: Erik der Wikinger
Autoren: Henry Rider Haggard
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Wort des Zorns zu ihm, sondern half ihm auf und sagte: »Du warst nie der Mutigsten einer, Jon, und man kann dir kaum einen Vorwurf machen, daß du geredet hast, statt unter der Folter zu sterben, obwohl sich ein anderer vielleicht für den Tod entschieden und nicht geredet hätte. Nun bin ich ein glückloser Mann, und alle Dinge geschehen, wie sie vorbestimmt sind, und Atlis Worte bewahrheiten sich, wie es zu erwarten war. Die Nornen, gegen die kein Mensch ankämpfen kann, haben nur ihren Willen durch deinen Mund ausgedrückt; so trauere nicht mehr um das, was nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann.«
    Dann wandte er sich ab, aber Jon weinte lange und laut.
    In dieser Nacht schlief Erik gut und traumlos. Aber am Morgen erwachte er bei Tagesanbruch, kleidete sich an und aß. Dann rief er seine Männer zusammen und mit ihnen Skallagrim. Sie kamen und stellten sich vor ihm auf und Erik zog Weißfeuer, stützte sich darauf und sprach.
    »Hört, Gefährten«, sagte er. »Ich weiß, daß meine Stunden gezählt sind und der Tod kommt. Meine Jahre waren kurz und böse, und ich kann den Sinn meines Lebens nicht erkennen. Meine Liebste wurde von Swanhilds Hexerei und der feigen Hand Gizur des Mörders getötet, und ich werde zu dem Ort gehen, wo sie auf mich wartet. Ich gehe frohen Herzens, denn nun, wo ich nur noch ein glückloser Mann bin, birgt das Leben keine Freude mehr für mich. Es ist eine schlechte Welt, Freunde, und all ihre Pfade sind rot vom Blut. Ich habe viel Blut vergossen, doch schlußendlich verfolgt mich nur ein Leben, und zwar das des Grafen Atli, denn er hatte meiner Kraft nichts entgegenzusetzen und mußte sterben, weil ich gesündigt hatte. Mit meinem eigenen Blut werde ich Atlis Blut von mir waschen, und dann werde ich einen anderen Ort aufsuchen und nichts hinterlassen als eine Geschichte, die man sich am Herd erzählt, wenn der Winterschnee fällt. Denn dieses Ende wird uns einst alle ereilen, und es ist kaum wichtig, ob es uns am Mittag oder bei Anbruch der Nacht findet. Wir leben im Leid und sterben unter Schmerzen und in der Dunkelheit: denn dies ist der Fluch, den die Götter auf die Menschen gelegt haben, und ein jeder wird ihn zu seiner Zeit erfahren. Aber ich habe geschworen, daß wegen mir keine Männer mehr sterben werden. Ich werde den letzten großen Kampf allein ausfechten, denn ich weiß, ich werde nicht leicht zu besiegen sein, und mit meinen gefallenen Gegnern werde ich die Bifröstbrücke beschreiten. Daher lebt wohl! Wenn Erik Hellauges Knochen in ihrem Hügelgrab liegen oder auf dem Berghang von Raben abgenagt werden, wird Gizur sich nicht die Mühe machen, jene zu jagen, die mir beigestanden haben, wenn er es denn überlebt, um die Geschichte zu erzählen. Noch braucht ihr Swanhilds Haß zu fürchten, denn sie zielt ihre Speere nur auf mich. Geht also, und wenn ich tot bin, vergeßt mich nicht, und versucht nicht, mich zu rächen, denn er Rächer Tod wird auch meine Mörder finden.«
    Nun hörten Eriks Männer diese Worte und stöhnten laut; sie wollten mit ihm sterben, sagten sie, denn ein jeder von ihnen liebte Erik. Nur Skallagrim sagte nichts.
    So sprach Hellauge erneut: »Hört mich an, Gefährten. Wenn ihr nicht geht, wird mein Blut an euren Händen sein, denn dann reite ich allein los, erwarte Gizurs Männer auf der Ebene und falle dort im Kampf.«
    Da schlichen sie einer nach dem anderen fort, um in dem versteckten Tal ihre Pferde zu suchen. Und ein jeder kam, bevor er aufbrach, zu Erik, küßte ihm die Hand und verließ ihn unter Tränen. Jon war – außer Skallagrim – der letzte, und er war so bewegt, daß er überhaupt nicht sprechen konnte.
    Es war auch dieser Jon, der nach vielen Jahren, als er sehr alt geworden war, von Haus zu Haus wanderte, um von den Taten Erik Hellauges zu berichten und aufgrund seiner Geschichte immer willkommen geheißen wurde, bis er schließlich auf einer seiner Reisen von einem Schneesturm überrascht und von einer Schneeverwehung begraben wurde. Denn Jon, dem es an vielem fehlte, hatte eine Begabung: er hatte die Zunge eines Skalden. Die Menschen haben Jon immer zu Ehren gehalten, daß er die Geschichte so erzählte, wie sie sich ereignet hatte, und nichts verbarg, auch wenn einige ihrer Abschnitte nicht zu seinem Besten sprachen.
    Als nun alle gegangen waren, sah Erik Skallagrim an, der mit der Axt in der Hand neben ihm stand.
    »Weshalb gehst du nicht, Trunkenbold?« sagte er. »Sicher wirst du in den Tälern oder in anderen
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