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Eric

Eric

Titel: Eric
Autoren: Terry Pratchett
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es. Eine Ausgabe befand sich irgendwo in der
Bibliothek, obgleich sich die Zauberer nie damit befaßten. Das mag seltsam erscheinen, denn um Macht zu erringen, würde ein
Zauberer sogar seine eigene Oma verkaufen. Andererseits ist es nicht
ganz so sonderbar: Jeder Magier, der genug Verstand hat, um fünf Minuten zu überleben, ringt sich schon bald zu der Erkenntnis durch, daß
die Macht der Dämonologie in erster Linie bei den Dämonen liegt. Wer
danach trachtet, sie für eigene Zwecke zu verwenden, könnte ebensogut
versuchen, Mäuse mit einer Klapperschlange zu erschlagen. Selbst Zauberer hielten Dämonologen für verschroben. Meistens
handelte es sich um heimlichtuerische blasse Männer, die sich in dunklen Zimmern mit komplizierten Dingen beschäftigten und immer
feuchtkalte Hände hatten. Gute, ordentliche Magie war ganz anders.
Kein Zauberer, der etwas auf sich hielt, wollte etwas mit den dämonischen Regionen zu tun haben, deren Bewohner ebenso unberechenbar
waren wie die Quadratur des Kreises.
Neugierig sah sich Rincewind das Skelett aus der Nähe an. Es schien
nicht geneigt, irgendeinen Kommentar abzugeben.
»Es stammt von seinem Dingsbums, Großvater«, ertönte eine kräch
zende Stimme hinter dem Zauberer.
»Ein eigentümlicher Nachlaß«, erwiderte Rincewind.
»Oh, es ist kein persönliches Erbe. Er kaufte es in einem Laden, als ausdrucksvolles Dingsbums.«
»Derzeit spricht es nicht viel«, sagte Rincewind. Dann wurde er sehr
still und nachdenklich.
»Äh«, fügte er nach einer Weile hinzu, ohne den Kopf zu drehen. »Mit
wem rede ich eigentlich?«
»Ich bin ein Dingsbums. Liegt mir auf der Zunge. Beginnt mit einem
P.«
»Du bist ein Papagei?« fragte der Zauberer.
»Ja.«
Rincewind beobachtete das Etwas auf der Stange und bemerkte ein
Auge, das wie ein Rubin glänzte. Der Rest bestand aus rosaroter und
purpurner Haut, an der hier und dort die kümmerlichen Reste von Federn klebten. Es wirkte wie eine abgenutzte Haarbürste, wackelte arthritisch, verlor das Gleichgewicht, kippte und hing mit dem Kopf nach
unten.
»Ich habe dich für ausgestopft gehalten«, sagte Rincewind. »Du kannst mich mal, Zauberer.«
Rincewind überhörte diesen Hinweis und schlich zum Fenster. Es
war klein, bot jedoch Zugang zu einem schrägen Dach. Hinter der
Scheibe erstreckte sich eine echte Welt mit echtem Himmel und echten
Gebäuden. Er streckte die Hand aus, um das Fenster zu öffnen. Thaumaturgische Energie zuckte ihm durch den Arm und entlud sich
im Zerebellum.
Rincewind hockte auf dem Boden und saugte an seinen Fingern. »Er hat dich gewarnt «, schnatterte der Papagei. Er hing noch immer
nach unten, schwang von einer Seite zur anderen. »Aber du wolltest ja
nicht auf ihn Dingsbums. Jetzt hat er doch am Dingsbums.« »Es dürfte nur bei Dämonen funktionieren!«

    »Ah«, sagte der Papagei und gewann genug Bewegungsmoment, um
wieder nach oben zu gelangen. Mit kleinen Stummelflügeln stützte er
sich ab. »Es kommt immer drauf an, nicht wahr? Wenn man die mit
›Dingsbums‹ gekennzeichnete Tür durchschreitet, wird man wie ein
Dingsbums behandelt, stimmt’s? Wie ein Dämon, meine ich. So lauten
die Regeln, habe ich recht? Tja, sieht ziemlich mies für dich aus.« »Aber du weißt, daß ich kein Dämon bin, oder?«
Der Papagei kreischte. »O Kumpel, ich kenne die Brüder. Die echten
Dingsbums. Einige Exemplare, die uns hier besuchten… Dunnerschlach, dabei verschluckt man sich an der Hirse. Große, schuppige,
feuerspeiende Dingsbums. Es hat Wochen gedauert, um den Ruß von
den Wänden zu kratzen«, fügte er in einem anerkennenden Tonfall hinzu. »Nun, das geschah natürlich zu Lebzeiten seines Großvaters. Die
Beschwörungen des Jungen waren nie erfolgreich. Bis jetzt. Intelligenter
Kerl. Ich gebe die Schuld den Dingsbums, den Eltern. Neureiche. Im
Weingeschäft. Verwöhnen ihn zu sehr. Lassen ihn mit den alten Dingsbums-Sachen spielen. ›Oh, er ist ja so gescheit, liest dauernd in Bü
chern‹«, intonierte der Papagei. »Wenn du mich fragst: Ihm fehlen jene
Dinge, die ein sensibler Heranwachsender braucht.«
»Meinst du Liebe und Fürsorge?« erkundigte sich Rincewind. »Ich dachte eher an Dingsbums, eine ordentliche Tracht Prügel«, antwortete der Papagei.
Rincewind litt an starken Kopfschmerzen und massierte sich die
Schläfen.
Wenn es Dämonen nach ihren Beschwörungen ähnlich erging… Kein
Wunder, daß sie immer verärgert waren.
»Polly möchte einen Keks«, krächzte der Papagei. Es klang wie
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