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Erebos

Erebos

Titel: Erebos
Autoren: Ursula Poznanski
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Zufälle und Unberechenbarkeiten. Deshalb habe ich mich ihr entzogen, aber ich habe Erebos zurückgelassen. Das Beste, was ich je geschaffen hatte.«
    »Das Brutalste, was du je geschaffen hast. Ein Freund von mir liegt im Krankenhaus und wäre fast gestorben, ein paar Mitschüler müssen vielleicht ins Gefängnis, weil sie Ortolan töten wollten. Dad? Du hast gewusst, das so etwas passieren würde, nicht?«
    »Ich habe es offen gelassen.«
    »Wie konntest du das tun? Sie sind nicht viel älter als ich und sie haben nichts mit deinem Racheplan zu tun.«
    Der tote Mann setzte sich auf einen Stein ans Feuer.
    »Erebos war die Münze, die ich geworfen habe. Während sie sich in der Luft gedreht hat, war ich schon fort. Die Spieler hatten immer die Wahl, sie konnten jederzeit aufhören. Zu Beginn mussten alle an mir vorbei und ich habe sie gewarnt. Jeden Einzelnen.«
    Funken stoben auf und spiegelten sich in den grünen Augen von Larry McVay, die denen seines Sohnes so ähnlich waren.
    »Wer Skrupel hatte, war gerettet. Die, die übrig geblieben sind, die habe ich benutzt. Aber sie hatten eine faire Chance. Wie alle anderen.«
    Nick erinnerte sich, wie knapp er daran gewesen war, Mr Watson zu vergiften. Dann dachte er an Helens zufriedenes, verschwitztes Gesicht und hätte am liebsten geheult.
    »Nichts davon war fair, Dad. Du hast sie beeinflusst, verändert und ausgenutzt, für eine Rache, von der du nicht mal mehr etwas mitbekommst.«
    Der tote Mann schüttelte langsam den Kopf.
    »Ich habe sie alle gewarnt.«
    »Nicht richtig gewarnt, Dad. Nicht so, dass sie dir geglaubt hätten, oder?«
    »Ich habe sie gewarnt.«
    Adrians Finger glitten von der Tastatur.
    Ein Windstoß wehte die Kapuze des toten Mannes zurück, zauste an seinem spärlichen blonden Haar. Eine Pause trat ein. Adrian wandte den Blick keine Sekunde lang vom Gesicht seines Vaters ab. Es war, als fände ein wortloser Dialog zwischen den beiden statt, dem die anderen nicht folgen konnten. Dann ging ein Ruck durch Adrians Körper.
    »Du hast das nicht für mich getan, nur damit das klar ist. Ich bin nicht damit einverstanden und ich verstehe nicht, wie du von mir verlangen konntest, das Spiel unter die Leute zu bringen.«
    Ein Lächeln spielte um die Lippen von Larry McVay.
    »Dich trifft keine Schuld. Mach dir keine Vorwürfe.«
    »Das tu ich nicht! Ich mache dir Vorwürfe. Ich war für dich wie eine deiner Spielfiguren.«
    Der tote Mann wandte den Blick ab, sah ins Feuer.
    »Ich habe dich geschützt.«
    Adrian lachte laut auf.
    »Wenn du mich hättest schützen wollen, hättest du dich nicht umgebracht. Das war feige, Dad, so feige!«
    »Es tut mir leid. Aber ich kann es nicht mehr ändern.«
    »Nein. Und auch nicht mehr gutmachen.«
    »Nein.«
    Adrian hob eine Hand von der Tastatur und einen Moment lang dachte Nick, er wolle den Bildschirm streicheln, da, wo die Stirn des toten Mannes war. Doch Adrian bremste sich in seiner Bewegung und ließ den Arm sinken.
    »Dad?«
    »Ja?«
    »Du hast doch alles, was du mir jetzt sagst, extra vorbereitet, für den Fall, dass ich herkomme. Du hast dir überlegt, was du auf meine Fragen antworten würdest, je nachdem, wie das Spiel ausgegangen ist. Stimmt das?«
    »Ja.«
    »Wann?«
    »Du meinst, an welchem Tag?«
    »Ja.«
    »Es war der 12. September, um 1.46 Uhr.«
    Emily nahm Adrian fester in den Arm, als er aufschluchzte und das Gesicht in den Händen verbarg. Sie hielt ihn mehr als eine Minute, während der tote Mann ihnen allen unverändert freundlich aus dem Bildschirm heraus entgegensah.
    McVay hatte sich am 13. September erhängt, erinnerte sich Nick. So knapp danach.
    »Da hätte er es noch ändern können. Alles, alles hätte er ändern können«, flüsterte Adrian.
    Er nahm das Papiertaschentuch, das Victor ihm anbot, und putzte sich die Nase, ohne den Blick vom Gesicht seines Vaters abzuwenden. Seine Hände fanden den Weg zurück zur Tastatur.
    »Das Spiel war dir wichtiger als wir, nicht wahr? Ortolan war dir wichtiger.«
    »Es tut mir leid.«
    »Du hast dich nicht von mir verabschiedet, Dad. Das war fast das Schlimmste für mich. Dass du keine Nachricht hinterlassen hast.«
    »Es tut mir leid.«
    »Ich habe dich so vermisst. Schon die zwei Jahre davor.«
    »Es tut mir leid.«
    Wie es aussah, war der tote Mann bei der zentralen Botschaft seiner Nachricht angekommen. Adrian nickte stumm. Wieder sahen sie einander lange an. Es dauerte einige Zeit, bis Nick bewusst wurde, dass in Wahrheit nur einer wirklich
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