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Erebos

Erebos

Titel: Erebos
Autoren: Ursula Poznanski
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eine Erinnerung, für manche schmerzlich, für andere peinlich.
    Meine Arbeit ist vollendet. Was nun passieren wird, erfahre ich nicht mehr. Wie gut. So werde ich nicht in Versuchung geraten, einzugreifen und das Steuer herumzureißen.
    Zahllose Möglichkeiten liegen in der Zukunft und warten darauf, wahr zu werden. Ich verspüre keine Neugier. Wäre da Neugier, würde ich bleiben? Ich weiß es nicht. Ich bin müde. Auch das macht das Loslassen einfach.

33.
    Durch den dichten Regen sah das Whittington Hospital aus wie ein großer graubrauner Klotz. Nick hatte seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, wurde aber trotzdem nass. Das kleine Päckchen mit Jamies Lieblingsschokolade, das er bei sich trug, hatte er sicher in der Innentasche der Regenjacke versteckt.
    Das Zimmer war im dritten Stock. Als er vor der Tür stand, hätte Nick am liebsten wieder kehrtgemacht. ›Er ist wach‹, waren Mr Watsons Worte gewesen. ›Aber es geht ihm noch nicht gut.‹ Niemand hatte näher nachgefragt.
    Nick klopfte. Klopfte noch einmal. Keine Antwort. Voller böser Vorahnungen öffnete er die Tür.
    Zwei Betten, eines war leer. Im anderen lag Jamie und sah klein aus. Zerbrechlich. Nick holte tief Luft.
    »Hi, Jamie. Ich bin’s, Nick. Ich hab gehört, es geht dir besser, und da dachte ich, ich komm mal vorbei.«
    Jamie rührte sich nicht. Sein Kopf war zur Wand gedreht, die eine Hälfte war rasiert, ähnlich wie bei Kate, nur dass sich bei Jamie eine Naht über den kahlen Teil zog.
    »Ich habe dir etwas mitgebracht.« Nick zog das Päckchen aus der Jacke und ging langsam näher. Nun sah er auch Jamies Gesicht. Er lag mit halb offenem Mund da und starrte die Wand an.
    Also doch. Etwas würgte Nick knapp oberhalb des Kehlkopfs. Er sah schnell weg.
    »Emily lässt dich grüßen. Sie kommt dich auch bald besuchen. Es ist viel passiert in den letzten Wochen.«
    Jamies starrer Blick galt immer noch der Wand. Obwohl Nick glaubte, einen Muskel in seinem Gesicht zucken gesehen zu haben. Vielleicht war es aber auch nur Einbildung gewesen.
    »Jamie. Ich wüsste so gern, wie es dir geht. Es tut mir irre leid, dass ich an diesem Tag so scheiße zu dir war. Ich hab mir tausendmal gewünscht, ich hätte mich anders benommen. Aber mit dem Spiel ist es vorbei, vielleicht freut dich das. Nicht nur für mich, sondern überhaupt.«
    Lächelte Jamie? Nein.
    »Wenn du mich hörst, wenn du auch nur ein Wort von dem verstehst, was ich sage, dann tu irgendwas. Bitte! Blinzle oder wackle mit den Zehen, was weiß ich.«
    Reagierte er? Reagierte er wirklich? Nick biss sich auf die Lippen, während er beobachtete, wie Jamie seine rechte Hand unendlich langsam über die Bettdecke schob, sie ein Stück anhob und die Finger streckte.
    »Klasse machst du das, Jamie«, stammelte Nick. »Du wirst wieder, ganz sicher.«
    Jamies Hand hing in der Luft. Seine Finger zuckten. Dann krümmte er sie, einen nach dem anderen, ausgenommen den Mittelfinger. Er drehte den Kopf, sah Nick an und grinste.
    »Cox, du blöder Arsch, du hast mich zu Tode erschreckt!«, schrie Nick und musste sich beherrschen, um Jamie nicht in die Rippen zu boxen oder ihm wenigstens um den Hals zu fallen. »Dir geht es wieder gut, ja? Boah, bin ich froh. Ich dachte wirklich, du wärst … fort.«
    »Mir geht es gut? Bist du bescheuert? Meine Kopfschmerzen sind nicht von dieser Welt und du ahnst nicht, wie geil sich eine gebrochene Hüfte anfühlt.« Jamie lachte, kniff aber gleichzeitig die Augen schmerzerfüllt zusammen. »Aber ich kriege tolle Pillen dagegen. Allein dafür hat sich die Sache fast gelohnt.«
    »Idiot. Ich hab dich auf der Straße liegen gesehen und dachte, du wärst tot. Das Bild krieg ich nie mehr aus meinem Kopf.«
    Wieder grinste Jamie unverschämt. »Schick mir einen Abzug davon.«
    Es stellte sich heraus, dass er sich noch an alles erinnerte, ausgenommen die zwei Tage vor dem Unfall. Sein Ärger über das Spiel war ungebrochen.
    »Es läuft jetzt nicht mehr«, sagte Nick. »Keiner der Spieler kann sich einloggen. Nachdem die Schlacht verloren war, wurde es finster, bei allen gleichzeitig. Schluss. Aus. Ende. Ein paar Leute sind immer noch total fertig deswegen.«
    »Wie denn das? Hat jemand den Server abgeschaltet?«
    »Nein.« Nick musste sich daran erinnern, dass Jamie keine Ahnung davon hatte, was Erebos gewesen war und was es alles vermochte. »Es war ein sehr außergewöhnliches Spiel. Es konnte lesen und das Gelesene verstehen. Meine Theorie ist, dass es während der Zeit der
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