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Erebos

Erebos

Titel: Erebos
Autoren: Ursula Poznanski
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wäre es der Tod selbst, der sprach.
    »Deine Freunde haben recht, die Polizei ist unterwegs.« Die Angst schraubte Ortolans Stimme höher. »Die erwischen dich bei einem Mord, ist dir das klar? Wenn du schießt, bist du eine Mörderin. Du gehst für dein ganzes Leben ins Gefängnis.« Er konnte seine Augen nicht von der Pistole wenden. Helen stand so dicht vor ihm – wenn sie abdrückte, würde sie auf jeden Fall treffen und er würde auf jeden Fall abstürzen – tot oder lebendig. Er redete um sein Leben.
    Bei einem der fünf Maskierten zeigten seine Worte bereits Wirkung. Der Scream-Typ hatte sich Schritt für Schritt auf die Tür zubewegt und raste nun davon. Das Alien und das Gollum-Mädchen wirkten, als würden sie es ihm sehr gerne nachtun. Sie hielten die beiden Gruppen – die stehende und die am Boden liegende – nur noch halbherzig in Schach.
    Victor musste das beobachtet haben. »Geht ruhig«, munterte er die beiden auf. »Und wisst ihr was? Ich verrate euch ein Geheimnis: Das Spiel ist vorbei. Es ist völlig egal, was ihr macht, der Bote wird euch nicht belohnen. Dafür wird euch irgendein Gericht bestrafen. Erebos ist gelaufen, es ist –«
    »Halt die Schnauze, du weißt doch nicht, was du sagst!«, schrie Helen. Ihre Pistole war für einige Sekunden auf Victor gerichtet; so lange, bis sie sich auf ihren wahren Auftrag besann und wieder Ortolan ins Visier nahm. »Spring!«, brüllte sie und ging einen weiteren Schritt auf ihn zu.
    Für einen Moment sah es so aus, als würde er ihr gehorchen. Er warf einen Blick nach unten, als wolle er die Höhe einschätzen oder seine Chancen, kletternd festen Boden zu erreichen. Dann stellte sich Adrian zwischen Helen und das Fenster.
    Victor und Nick sprangen gleichzeitig vorwärts und bremsten auch beinahe gleichzeitig wieder ab. Helen musste ruhig bleiben, sie durfte jetzt bloß nicht schießen.
    »Geh da weg, Adrian«, sagte Nick.
    Adrian rührte sich nicht vom Fleck. Nick merkte, dass Helen nervös wurde, sie lehnte sich von einer Seite zur anderen, um wieder bessere Sicht auf Ortolan zu bekommen. Aber sie senkte ihre Pistole nicht.
    »Du wirst nicht auf Adrian schießen, oder?«, fragte Nick. »Er kann nichts für den ganzen Wahnsinn hier.« Eine Sirene unterbrach ihn.
    Jetzt machten Gollum und das Alien sich davon. Nick sah es nur aus den Augenwinkeln, sie stürzten fort, als wäre ihnen erst in diesem Augenblick der Ernst der Lage klar geworden.
    »Nein«, schrie Colin ihnen hinterher. »Lasst mich doch nicht hier! Nehmt mich mit, ihr feigen Wichser!« Er versuchte sich aufzurichten, schrie vor Schmerz und sackte wieder auf dem Boden zusammen. Die Teufelsmaske verrutschte ein Stück und entblößte seine dunkle Haut.
    »Mr Ortolan«, sagte Adrian. »Sagen Sie hier vor uns allen, dass Sie versucht haben, meinem Vater Götterfunken zu stehlen. Wenn Sie das nicht tun, gehe ich einen Schritt auf die Seite.«
    »Warum nimmt keiner endlich dieser Irren die Waffe weg?«, schrie Ortolan. »Das kann doch nicht so schwer sein!«
    Vor dem Haus quietschten Reifen. Blaues Licht flackerte an der gegenüberliegenden Hauswand.
    »Hier oben bin ich!«, kreischte Ortolan. »Hier! Holen Sie mich runter!«
    Er wandte sich wieder dem offenen Fenster zu. »Es reicht, ich komme wieder herein. Schluss mit diesem Wahnsinn!«
    Adrian tat den angekündigten Schritt zur Seite, Helens Mündung zielte nun direkt auf Ortolans Kopf.
    »Nein! Bitte!« Er duckte sich auf seinem Gerüst, geriet dabei ins Schwanken, schrie auf, fand wieder Halt.
    »Sagen Sie es«, wiederholte Adrian.
    »Wozu? Kein Gericht der Welt würde das gelten lassen! Ich werde bedroht!«
    »Darum geht es mir nicht. Sagen Sie es. Wir beide wissen, dass es wahr ist.«
    Vor dem Haus wurde es laut. Jemand rief etwas in einem Befehlston, Autotüren knallten. Die gefesselten Büroangestellten bewegten sich unruhig. Nick betete, dass keiner von ihnen die Nerven verlieren würde, denn Helens Geduld schien am Ende zu sein.
    Schweiß floss unter ihrer Totenkopfmaske hervor, den Hals entlang. Nick fühlte ihre aufsteigende Wut, als wäre es seine eigene.
    Adrian hatte sich wieder vor Ortolan gestellt und sah ihn an.
    »Dein Vater war ein gottverdammtes Genie«, rief Ortolan, »ohne jede Ahnung vom Geschäft. Wir hätten die Branche aus den Angeln heben können, aber er wollte unbedingt alles alleine machen.«
    »Haben Sie sein Programm gestohlen?«
    »Ja! Ja, zum Henker! Und ich habe richtig gehandelt, verstehst du?«
    »Sie
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