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Erebos

Erebos

Titel: Erebos
Autoren: Ursula Poznanski
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Multiplayer-Teil ist gelaufen. Das tut mir sehr leid, aber weißt du – ich glaube, vieles davon hätte dir nicht gefallen. Doch es gibt etwas anderes, das du sehen solltest.«
    Er zog Adrian vom Sofa hoch und führte ihn ins Computerzimmer. Vor den größten Bildschirm hatte er den besten Bürostuhl gestellt.
    »Setz dich hin.«
    Adrians Gesicht war eine einzige offene Frage.
    »Der Anfang funktioniert immer noch problemlos«, sagte Victor, zog einen Hocker heran und setzte sich neben Adrian.
    Nick und Emily taten es ihm nach; sie bildeten einen kleinen Halbkreis um Adrian, als wollten sie ihn schützen.
    Victor schaltete den Bildschirm ein.
    Die Waldlichtung. Blasser Mondschein. In der Mitte der Namenlose, der sich auf dem Boden zusammenkauerte.
    Wie in Trance nahm Adrian die Maus und drehte die Sichtperspektive.
    »Das kenne ich. Das ist in der Nähe von Wye Valley«, sagte er. »Seht mal, dahinten, der Baum, der sich vom Boden weg gabelt. Da haben wir immer den Rucksack eingeklemmt, wenn wir gepicknickt haben.«
    Er führte seinen Namenlosen dorthin, hielt ihn an. Ließ ihn sich bücken und etwas aufheben, das wie ein blau lackiertes Stück Holz aussah. Nick sah eine einzelne Träne über Adrians Gesicht laufen.
    »Was ist das?«
    »Mein Taschenmesser. Ich habe es dort oben verloren, als ich sieben war, und den ganzen restlichen Tag geheult.«
    Nick und Emily wechselten einen Blick. Das konnte härter werden, als sie es sich vorgestellt hatten. Emily legte Adrian eine Hand auf den Rücken.
    Der Namenlose suchte und fand einen Weg, der von der Lichtung wegführte, eher einen Trampelpfad, der sich zwischen den Bäumen immer wieder verlor. Aber Adrian, das hatte Nick begriffen, wusste, wohin er ging. Er hielt nur selten an, um sich zu orientieren, achtete aber wie ganz selbstverständlich auf seine Ausdauer. Nach kurzer Zeit kam er an einen schmalen Bach, wo er den Namenlosen wieder stehen bleiben ließ.
    »Hier haben wir mal … Da ist er«, flüsterte Adrian. Nick wusste erst nicht, was er meinte, dann entdeckte er zwei leuchtende Punkte im Dunkel und kurz darauf das ganze Tier.
    »Ihr habt hier einen Fuchs gesehen?«
    Adrian nickte. Nicht lange und der Fuchs machte sich davon, verschwand zwischen den Büschen.
    Der Namenlose ging weiter, den Bach entlang. An einer Stelle, wo drei Steine so etwas wie eine kleine Brücke bildeten, überquerte er ihn. Hier ging es abwärts und Nick hätte Adrian am liebsten vom Computer weggezogen, denn dort unten sah er bereits das Flackern des Feuers.
    Der tote Mann saß diesmal nicht und er starrte auch nicht in die Flammen. Er stand aufrecht und blickte dem Namenlosen erwartungsvoll entgegen.
    »Adrian?«
    »Dad«, flüsterte Adrian.
    Nick sah, wie Adrians Hand sich um die Maus klammerte. Der Namenlose schwankte und blieb stehen.
    »Du bist unseren Weg gegangen. Sag mir, ob du Adrian bist.«
    Adrian legte die Hände auf die Tastatur.
    »Ja. Bin ich.«
    Der tote Mann lächelte. »Das ist gut. Ich habe gehofft, dass du kommst, wenn alles vorbei ist.«
    »Sollen wir rausgehen?«, fragte Nick.
    Adrian schüttelte den Kopf. Er setzte mehrmals an, etwas zu schreiben, schien aber nicht zu wissen, wie er anfangen sollte.
    »Wie geht es dir?«, tippte er schließlich.
    »Mein Plan ist gescheitert. Wenn ich es noch miterleben würde, wäre ich wahrscheinlich sehr wütend.«
    Aus Adrians Mund kam ein Geräusch zwischen Schnauben und Lachen.
    »Ich bin auch wütend. Auf dich. Wieso hast du das getan?«
    »Was getan?«
    Adrians Finger flogen nun geradezu über die Tasten.
    »Na, was denkst du? Du bist einfach abgehauen! Weißt du, wie schrecklich es war? Mum stand in den ersten Tagen nur unter Beruhigungsmitteln, sie hat dich gefunden. Nicht einmal einen Brief hast du uns dagelassen. Gar nichts. Warum?«
    Erstmals schien es, als zögere der tote Mann.
    »Ich hätte nicht gewusst, was ich schreiben sollte. Erebos war fertig und alles war perfekt. Ich hatte etwas Einmaliges geschaffen. Du siehst doch, wie gut es ist, nicht wahr? Alles, was danach noch kommen konnte, waren Kämpfe, Prozesse, wahrscheinlich Gefängnis, ein kaputtes Leben. Erebos war perfekt, aber ich nicht. Ich ekelte mich vor allem, was außerhalb lag.«
    »Du wusstest doch gar nicht mehr, was außerhalb lag«, schrieb Adrian. Tränen strömten über sein Gesicht und er ließ sie laufen, als bemerkte er sie nicht.
    »Du warst doch fast zwei Jahre nicht mehr draußen.«
    »Ja. Ich fand die Welt nicht mehr erträglich. Nur
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