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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da
Autoren: Timur Vermes
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Heimat werden könne. Ich sagte ihm, dass er und seine Kollegen endlich aufhören sollten, meine Partei zu beleidigen, und dass ich keinerlei wie immer geartetes Interesse an seiner Ansammlung liberaler Politmaden hätte. Der Lehrling lachte erneut, sagte, dass ich ihm solcherart gefalle und schon bald ganz der Alte wäre, und versprach abschließend ungefragt, mir einen Aufnahmeantrag zukommen zu lassen. Das Telefon, so dachte ich in diesem Moment, ist einfach nicht das richtige Mittel der Verständigung für Leute ohne Ohren. Und ich hatte es kaum aus der Hand gelegt, als es erneut läutete.
    Es stellte sich heraus, dass der Gesundheitslehrling und die grüne Künast keineswegs die Einzigen waren, die beschlossen hatten, aus meinem entschlossen erbrachten Blutzoll herauszulesen, was ihnen gerade beliebte. Gleich mehrere Anrufer diverser Parteien beglückwünschten mich zu meinem entschiedenen Eintreten für Gewaltfreiheit, das ihrer Beobachtung nach in meinem demonstrativen Verzicht auf Selbstverteidigung bestanden hatte, darunter befand sich auch die einzige Gruppierung, der ich vom Namen her Sympathie entgegenbringen konnte: Mit diesem Herrn von der Tierschutzpartei hatte ich ein sehr angenehmes Gespräch, im Verlauf dessen er mich dankenswerterweise auf einige unglaubliche Grausamkeiten gegen rumänische Straßenhunde aufmerksam machte. Ich beschloss, den empörenden Vorgängen in diesem Lande in näherer Zukunft besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
    Allerdings ließen sich die jüngsten Ereignisse in den Augen jener »professionellen« Politiker auch ganz anders interpretieren. Die »Bürgerrechtsbewegung Solidarität« erklärte mich zum Leidensgenossen des irgendwie verfolgten Parteigründers Larouche, eine seltsame Ausländerpartei namens BIG versicherte mir, dass in einem Lande, in dem man Ausländer nicht verprügeln dürfe, selbstverständlich auch Deutsche nicht verprügelt werden dürften, woraufhin ich sofort mit Nachdruck entgegnete, dass ich in einem solchen Lande nicht leben wollte, in dem man Ausländer nicht mehr verprügeln dürfe. Daraufhin wurde am anderen Ende der Leitung wieder einmal unverständlicherweise herzlich gelacht. Bei noch anderen galt ich nicht als Symbol für Meinungsfreiheit, sondern dagegen, jedenfalls gegen die falschen Meinungen, ich wurde nicht nur als Kämpfer gegen Gewalt gedeutet, sondern auch mehrfach als Kämpfer dafür ( CSU , zwei Schützenvereine, ein Hersteller für Handfeuerwaffen) und einmal als Opfer von Gewalt gegen Senioren (Familienpartei). Mit besonderem Dilettantismus glänzte ein Aufruf der Piratenpartei, die in meinem Verhalten und insbesondere meinem Verzichte auf eine Anzeige einen Protest gegen den Überwachungsstaat und eine besondere Staatsferne und die »totale Piratendenke« erkannt zu haben glaubte. Der Wahrheit am nächsten kam noch eine Gruppierung namens »Die Violetten«, die in mir den Zeugen einer Welt jenseits des Nur-Materialistischen sehen wollte, der »seine Wiederkehr unter dem Banner der vollkommenen Friedfertigkeit mit allergrößter Duldsamkeit den härtesten Prüfungen unterworfen« hätte. Ich lachte derart dauerhaft, dass ich wegen meiner Rippen um mehr Schmerzmittel bitten musste.
    Aus dem Büro brachte mir Fräulein Krömeier weitere Post. Auch sie war mehrfach angerufen worden, es handelte sich im Wesentlichen um andere Personen derselben Parteien und Gruppen, neu waren die Meldungen diverser Kommunistenverbände, die Begründung dafür ist mir zwischenzeitlich entfallen, sie wird wohl letztlich nicht zu weit entfernt gewesen sein von jener Stalins für seinen Pakt mit uns 1939. Allen diesen Anrufern und Skribenten war gemein, dass sie mich zur Mitgliedschaft in ihrem Verbunde zu überreden gedachten. Tatsächlich gab es nur zwei Parteien, die sich nicht meldeten. Naivlinge hätten dahinter vermutlich Desinteresse gewittert, aber ich wusste es besser. Weshalb ich nach einem weiteren halben Tage, als eine mir unbekannte Berliner Nummer auf dem Telefon aufleuchtete, aufs Geratewohl hineinrief:
    »Hallo? Ist da die SPD ?«
    »Äh, ja – spreche ich mit Herrn Hitler?«, sagte eine Stimme am anderen Ende.
    »Aber ja«, rief ich, »ich habe schon auf Sie gewartet!«
    »Auf mich?«
    »Nicht speziell. Aber auf jemanden von der SPD . Wer spricht denn?«
    »Gabriel, Sigmar Gabriel. Das ist ja wunderbar, dass Sie schon wieder so gut telefonieren können, ich habe die schlimmsten Dinge gehört und gelesen. Das klingt ja schon wieder
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