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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da
Autoren: Timur Vermes
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Kopf, aber ich verwarf ihn so entschlossen wie unwiderruflich. Es widersprach all meinen Prinzipien. Der Führer passt nicht in eine Opferrolle. Er ist nicht von der Fürsprache oder Fürsorge so jämmerlicher Gestalten wie Staatsanwälten oder Polizeibeamten abhängig, er versteckt sich nicht hinter ihnen, er nimmt das Recht in die eigene Faust. Oder gibt es vielmehr in die glühenden Hände der SS , und die nimmt es dann in ihre vielen Fäuste. Wenn ich eine SS gehabt hätte, dann hätte ich dafür gesorgt, dass diese obskure »Parteizentrale« noch in der folgenden Nacht in Flammen stehen würde und jedes ihrer feigen Mitglieder innerhalb einer Woche in seinem eigenen Blute über die wahrhaftigen Prinzipien völkischen Denkens nachgrübeln konnte. Aber von wem konnte ich derlei in dieser friedfertigen, gewaltentwöhnten Zeit verlangen? Sawatzki war schlagfertig, aber nicht schlagkräftig, ein Arbeiter der Stirne, nicht der Faust. So blieb mir nur die Vertagung des Problems auf unbestimmte Zeit und die Aufgabe, durch die eine oder andere Verlegung innerhalb der Sanitätsräumlichkeiten dafür Sorge zu tragen, dass keine Fotoreporter zu mir durchdrangen, die unvorteilhafte Bilder anfertigten. Dennoch war die Tatsache des Zwischenfalles an sich nicht zu verheimlichen, und schon nach wenigen Tagen konnte man in den Zeitungen darüber lesen, dass ich ein Opfer »rechtsradikaler Gewalt« geworden war – es war freilich der gewöhnliche inkompetente Zeitungsunfug, diese dummbeuteligen Wachsfiguren auch noch unverdientermaßen als »rechtsradikal« zu adeln. Dennoch gibt es nichts, was nicht wenigstens zu irgendetwas gut wäre. Innerhalb weniger Tage, fast Stunden, hatte ich daraufhin etliche erstaunliche Telefonate mit Menschen, denen Fräulein Krömeier auf Anregung und mit dem Segen des Herrn Sawatzki die Nummer meines mobilen Telefonapparates gegeben hatte.
    Das erste Gespräch, das nicht aus Besserungswünschen von Firmenmitarbeitern bestand, führte ich mit Frau Künast, die mir »von Herzen gute Besserung« wünschte, sich nach meinem Wohlergehen erkundigte und wissen wollte, ob ich eigentlich in irgendeiner Partei sei.
    »Jawohl«, sagte ich, »in meiner eigenen.«
    Künast lachte und meinte, die NSDAP sei ja nun doch wenigstens vorübergehend in einer Art Dämmerschlaf oder Ruhezustand, und bis sie wieder erwache, solle ich doch einmal überlegen, ob mir, der ich offenbar als Künstler mit Leib und Leben gegen rechte Gewalt einträte, die grüne Partei nicht eine Heimat bieten könnte, »wenigstens für eine gewisse Zeit«, wie sie nochmals lachend anbot.
    Ich nahm den Anruf kopfschüttelnd zur Kenntnis und hätte ihn wohl als eine weitere wunderliche Ausgeburt parlamentarisch-demokratischer Träumereien bald vergessen, wäre nicht schon am folgenden Tage noch ein Anruf gekommen, der jenem nicht wenig ähnelte. Ich hatte einen Herrn am Apparat, der, wie ich mich dunkel erinnerte, entweder gerade eine Lehrstelle als Gesundheitsminister absolvierte oder absolviert hatte. Der Name ist mir auch nach längerem Nachdenken nicht wieder eingefallen, ich habe es bei dieser Partei inzwischen ohnehin endgültig aufgegeben zu versuchen, den Überblick zu behalten. Es wird ja auf den zuständigen Sendeplätzen häufig kolportiert, der einzig verbliebene ältere Herr der Verbindung sei ein hemmungsloser Trunkenbold. Ich glaube, man tut dem Manne unrecht, und gehe eher davon aus, dass es schier unmöglich ist, in diesem bizarren Ringelreihen auch nur eine Stunde mitzutun, ohne wie volltrunken zu wirken.
    Der Gesundheitslehrling sagte mir, wie leid ihm dieser Übergriff tue, gerade jemand wie ich, der eine Lanze bräche für die weiteste und breiteste Meinungs- und Redefreiheit, habe in dieser schweren Zeit jegliche Unterstützung nötig. Ich kam kaum dazu zu betonen, dass bekanntlich der Starke am mächtigsten alleine sei, denn schon insistierte der Lehrling, er werde alles tun, um eine rasche Rückkehr von mir auf den Fernsehschirm zu ermöglichen, und für einen Moment fürchtete ich, er würde meine Behandlung selbst in die notorisch weichfingrig-inkompetente Hand nehmen. Stattdessen befragte er mich wie beiläufig nach meiner Parteizugehörigkeit, und ich antwortete ihm wahrheitsgemäß.
    Der Lehrling lachte knabenhaft hell. Dann sagte er mir, ich sei köstlich, und nachdem die NSDAP ja derzeit auf dem Friedhof der Geschichte ruhe, könne er sich gut vorstellen, dass vielleicht die FDP für mich zu einer neuen politischen
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