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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da
Autoren: Timur Vermes
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Geschwindigkeit raste seine Faust auf meinen Kopf zu. Ich versuchte Haltung und Stolz zu wahren, ich wich dem Schlag nicht aus.
    Es war wie der Einschlag einer Kugel. Es gab keinen Schmerz, nur die Geschwindigkeit, nur den gewaltigen Aufprall, dann kam mit einem stillen Rauschen die Hauswand auf mich zu. Ich suchte Halt, etwas schlug hart gegen meinen Hinterkopf. Das Haus schob sich an mir vorbei nach oben, ich steckte tastend die Hand in den Mantel, ich griff nach den Karten für die »Meistersinger« und zog sie heraus, während die Einschläge um mich herum zunahmen. Die Engländer hatten wohl neue Geschütze, ein mörderisches Trommelfeuer, es wurde so dunkel, wie konnten sie nur so präzise zielen, unser Graben, wie das Ende der Welt, ich wusste nicht einmal mehr, wo mein Helm war, und mein treuer Hund, mein Foxl, mein Foxl, mein Foxl …

xxxiv.
    D as Erste, was ich sah, war ein grelles Neonlicht. Was ich dachte, war: Hoffentlich hat sich jemand in der Zwischenzeit um die Armee Wenck gekümmert. Dann blickte ich mich im Raum um, und einige Apparate machten rasch deutlich, dass die Armee Wenck aktuell wohl keine besondere Dringlichkeit mehr genoss.
    Neben mir befand sich eine Art Garderobenständer, an dem man mehrere Kunststoffbeutel befestigt hatte. Ihr Inhalt tropfte langsam in denjenigen Arm von mir, der nicht in einem starren Gipsmantel lag. Das zu erkennen war nicht ganz einfach, weil ich das Auge auf der Nicht-Gipsseite nicht öffnen konnte. Diese Tatsache machte mich stutzig, all das sah durchaus schmerzhaft aus, aber ich hatte keine Schmerzen bis auf ein ständiges Dröhnen im Kopf. Ich drehte ihn, um etwas mehr von meiner Lage mitzubekommen, dann hob ich ihn vorsichtig an, was einen sofortigen stechenden Schmerz im Brustkorbe nach sich zog.
    Ich hörte, wie sich auf der anderen Seite meines Gesichts eine Tür öffnete. Ich beschloss, nicht nachzusehen. Der Kopf einer Krankenschwester tauchte vorsichtig über meinem Nasenrücken auf.
    »Sind Sie wach?«
    »…«, sagte ich. Das hätte die Frage nach dem gegenwärtigen Datum werden sollen, aber aus meinem Mund kam nur etwas zwischen Räuspern und Raspeln.
    »Schön«, sagte sie, »schlafen Sie mal bitte nicht wieder ein, dann hole ich den Arzt.«
    »…«, raspelte ich zur Antwort. Es war allerdings schon zu merken, dass hier wohl kein dauerhafter Schaden vorlag, nur eine gewisse Einrostung der Sprechmuskulatur infolge der offenbar längeren Nichtnutzung. Ich ließ das funktionsfähige Auge etwas weiter rotieren. Im Sichtfelde war ein kleines Tischlein, auf dem sich ein Telefon und ein Blumenstrauß befanden. Ich sah ein Gerät, das wohl meinen Puls überwachte. Ich versuchte, die Beine zu bewegen, ließ es dann aber rasch wieder bleiben, es war abzusehen, dass derlei mit Schmerzen verbunden sein würde. Stattdessen wechselte ich zu kleinen Sprachübungen, es war schließlich anzunehmen, dass ich die eine oder andere Frage an den behandelnden Doktor zu richten hätte.
    Tatsächlich tat sich längere Zeit nichts. Ich hatte vergessen, wie es üblicherweise in Krankenhäusern zuging, wenn man nicht gerade Führer und Reichskanzler war. Der Patient soll sich erholen, doch im Grunde tut er nichts als warten. Er wartet auf Schwestern, Behandlung, auf Ärzte, alles geschieht vorgeblich »bald« oder »gleich«, tatsächlich bedeutet »gleich« so viel wie »in einer halben bis drei viertel Stunde«, und »bald« entspricht »in einer Stunde oder mehr«.
    Ein dringendes Bedürfnis bemächtigte sich meiner, und ich spürte sogleich, dass auch in dieser Hinsicht eine gewisse Vorsorge getroffen worden war. Ich hätte nun wohl gerne ein wenig in den Fernsehapparat hineingesehen, allein die Bedienung desselben war mir so rätselhaft wie auch körperlich unmöglich. So starrte ich reglos an die Wand gegenüber und versuchte, die jüngsten Ereignisse zu rekonstruieren. Ich erinnerte mich an einen Moment in einem Krankentransportfahrzeug, an das kreischende Fräulein Krömeier, und irritierenderweise blitzte immer wieder jene Filmaufnahme durch meinen Kopf, bei der ich Frankreichs Kapitulation mit einem spontanen Freudentänzchen oder -hüpfer würdigte. Allerdings trug ich keine Uniform, sondern ein türkisfarbenes Ballettröckchen. Dann kam Göring auf mich zu, der zwei gesattelte Rentiere am Zaumzeuge führte und sagte: »Mein Führer, wenn Sie in Polen sind, bringen Sie bitte etwas Quark mit, ich koche uns dann heute Abend was Feines!« Ich sah an mir herab, ich
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