Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da
Autoren: Timur Vermes
Vom Netzwerk:
ich, aber dann fiel mir ein, dass der sich wohl momentan ebenfalls im Ruhezustand befand.
    »Ich nehme an, Sie haben schon länger von Ihrem Verlag nichts mehr gehört, oder?«
    »Das stimmt eigentlich«, sinnierte ich, »ich frage mich, wer in diesem Moment meine Tantiemen kassiert.«
    »Das Land Bayern, wenn ich richtig informiert bin«, sagte Frau Golz.
    »Frechheit!«
    »Sie können natürlich klagen, aber Sie wissen ja, wie das bei Gerichten ist …«
    »Wem sagen Sie das!«
    »Ich würde mich allerdings freuen, wenn Sie stattdessen den etwas einfacheren Weg gehen würden.«
    »Und der sähe wie aus?«
    »Sie schreiben ein neues Buch. In einer neuen Welt. Wir würden es gerne verlegen. Und weil wir hier unter Profis reden, kann ich Ihnen Folgendes anbieten.« Dann nannte sie neben diversen Werbemaßnahmen größeren Umfanges auch eine Vorschusszahlung in einer Höhe, die mir sogar in diesem fragwürdigen Eurogeld eine beträchtliche Anerkennung entlockte – was ich aber selbstverständlich vorerst für mich behielt. Zudem dürfte ich mir die Mitarbeiter frei aussuchen, auch deren Honorare würde der Verlag übernehmen.
    »Unsere einzige Bedingung: Es muss die Wahrheit drinstehen.«
    Ich rollte mit den Augen. »Sie wollen wohl auch wissen, wie ich heiße.«
    »Nein, nein, Sie heißen selbstverständlich Adolf Hitler. Welchen Namen sollen wir denn sonst auf so ein Buch drucken? Moische Halbgewachs?«
    Ich lachte. »Oder Schmul Rosenzweig. Sie gefallen mir.«
    »Was ich meine ist: Wir wollen kein Comedy-Buch. Ich nehme an, das ist auch in Ihrem Sinne. Der Führer macht keine Witze, nicht wahr?«
    Es war erstaunlich, wie simpel alles mit dieser Dame war. Sie wusste einfach, wovon sie redete. Und mit wem.
    »Werden Sie drüber nachdenken?«, fragte sie.
    »Lassen Sie mir etwas Zeit«, sagte ich, »ich werde mich melden.«
    Ich wartete exakt fünf Minuten. Dann rief ich sie zurück. Ich forderte eine beträchtlich höhere Summe. Im Nachhinein muss ich annehmen, dass sie damit gerechnet hatte.
    »Na denn: Sieg Heil«, sagte sie.
    »Darf ich das als Zusage verstehen?«, hakte ich nach.
    »Sie dürfen«, lachte sie.
    Ich antwortete: »Sie auch!«

xxxvi.
    E s ist erstaunlich. Das erste Mal seit Langem macht mir der Schnee nichts aus, obwohl er so früh gefallen ist. Dicke Flocken sinken vor dem Fenster, das hätte mich noch 1943 in den Wahnsinn getrieben. Jetzt, da ich weiß, dass alles einen tieferen Sinn hat, dass die Vorsehung von mir nicht erwartet, einen Weltkrieg gleich beim ersten oder zweiten Versuch zu gewinnen, dass sie mir Zeit einräumt und auf mich vertraut, jetzt kann ich diese sanfte, vorweihnachtliche Ruhe nach anstrengenden Jahren endlich wieder so recht genießen. Und ich genieße sie fast so wie damals, als ich noch ein Kind war und mich mit Homers Trojanischem Kriege ganz klein in einer gemütlichen Ecke der Wohnstube zusammenkauerte. Was noch etwas stört, sind die Schmerzen im Brustkorb, aber es ist andererseits auch wiederum sehr ermutigend zu verfolgen, wie sie nachlassen.
    Der Verlag hat mir ein Diktiergerät zukommen lassen. Sawatzki wollte, dass ich meinen mobilen Telefonapparat dazu nutze, aber letztlich ist das Diktiergerät doch viel einfacher zu bedienen. Ein Knopfdruck – es nimmt auf, ein Knopfdruck – es hört auf. Und niemand ruft währenddessen darauf an. Ich bin ja generell ein großer Gegner dieser unablässigen Aufgabenvermengung. Das Radio muss auch noch diese Silberscheiben abspielen, der Rasierapparat muss nass und trocken funktionieren, der Tankwart wird zum Lebensmittelhändler, das Telefon muss Telefon sein und Kalender dazu und ein Fotoapparat auch noch und überhaupt alles in einem. Das ist gefährlicher Blödsinn, der nur dazu führt, dass unsere jungen Leute auf der Straße dauernd in ihre Telefonapparate hineinglotzen und zu Tausenden überfahren werden. Es wird dies eines meiner ersten Vorhaben sein, solche Telefonapparate zu verbieten beziehungsweise nur noch für die verbliebenen rassisch minderwertigen Elemente zuzulassen oder vielleicht sogar verpflichtend vorzuschreiben. Die sollen dann meinethalben tagelang auf den Berliner Hauptverkehrsstraßen herumliegen wie überrollte Igel, da hat es dann auch wieder seinen praktischen Nutzen. Aber ansonsten: Unfug! Natürlich wäre es für die Staatsfinanzen günstiger, wenn die Luftwaffe auch die Aufgaben der Müllabfuhr mit übernehmen könnte. Aber was ergäbe das denn dann für eine Luftwaffe?
    Ein guter Gedanke.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher