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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gehörte zu jener Art von Kapitänen, die nichts von ihren Männern verlangten, was sie nicht selbst zu tun bereit und in der Lage waren, und er schien dies ununterbrochen unter Beweis stellen zu müssen.
    Ein Verhalten, für das Skar kein Verständnis hatte. Es nutzte niemandem, sondern schadete im Gegenteil. Aber sie waren in einer Situation, in der rationales Handeln nicht mehr unbedingt die wichtigste Rolle spielte. Vielleicht war Rayans Benehmen auch eine Erklärung für die stoische Gelassenheit, mit der die Männer dort oben noch immer weiterkämpften. Gowenna saß allein an ihrem Tisch und redete mit einem Matrosen, der, vergraben unter einem Berg von Decken und zweckentfremdeten Kleidungsstücken, auf dem Boden lag und ihr mit ernstem Gesicht zuhörte. Skar eilte an ihr vorüber, ohne hinzuhören. Ihr Gespräch drehte sich, wie nahezu alles, was während der letzten drei Tage an Bord des Schiffes gesprochen wurde, um den Dronte. Sie waren der Vernichtung entkommen, aber der Tod war nur hinausgeschoben, nicht besiegt, und es kam Skar manchmal vor, als bildeten sie sich ernsthaft ein, ihn wegdiskutieren zu können.
    Er ging zu seinem Lager, einem verlausten Bündel gleich denen der anderen, ließ sich darauf nieder und suchte in den schmuddeligen Fetzen nach etwas, das er als Kopfkissen benutzen konnte. Es gab keine Kojen oder auch nur Bettstellen auf der SHAROKAAN, sondern nur eine Anzahl zerschlissener Bündel, auf denen die Besatzung — und auch da machte Rayan keine Ausnahme — wechselweise schlief. Auch Gowenna und er mußten sich damit begnügen. Nicht weil Rayan sie absichtlich schlecht behandelte, sondern weil es auf dem vollgestopften Schiff einfach keinen anderen Raum gab, in den sie sich hätten zurückziehen können. Sie hatten für die Überfahrt bezahlt, sehr viel bezahlt sogar, aber das bedeutete nicht, daß sie mehr Anspruch auf eine besondere Behandlung als irgendein Mannschaftsmitglied hatten. Das einzige Bett auf dem ganzen Schiff stand vorne in Velas Zelle, und auch dies war erst in Anchor zusätzlich an Bord gebracht worden, auf Geheiß der Ehrwürdigen Mutter.
    Das Schiff wiegte sich sanft unter ihm, und das dumpfe, regelmäßige Klatschen, wenn sich die Wellen an der Bordwand brachen, hatte etwas seltsam Beruhigendes. Das dunkelrote Licht der glühenden Kohlen schimmerte sanft durch seine geschlossenen Lider und gaukelte ihm eine Wärme vor, die kaum da war. Er bewegte sich unruhig, zog die Decke enger um die Schultern und drehte das Gesicht zur Wand, um möglichst viel von der ausgestrahlten Wärme aufzufangen.
    »Schläfst du?«
    Skar öffnete widerwillig die Augen, wälzte sich herum und setzte sich auf. Diesmal vermied er es sorgsam, mit der Wand in Berührung zu kommen.
    Gowenna hockte sich neben ihn auf den Boden, stand noch einmal auf, um eine Decke als Unterlage heranzuziehen, und ließ sich mit einem Laut, der sowohl Erschöpfung als auch Resignation — oder beides
    - ausdrücken konnte, auf das provisorische Lager sinken. Das dunkelrote Dämmerlicht im Inneren der Kabine tauchte ihr Gesicht in gnädige Schatten. Sie hatte sich angewöhnt, stets so zu sitzen, daß sie ihrem Gegenüber die unversehrte rechte Seite zuwandte, und auch er machte da jetzt keine Ausnahme mehr. Es war einmal anders gewesen. Er merkte plötzlich, daß er sie anstarrte, senkte den Blick und suchte vergeblich nach einem passenden Wort.
    »Es braucht dir nicht peinlich zu sein«, bemerkte Gowenna ruhig. »Gerade du solltest wissen, wie ich aussehe.«
    Skar sah auf, aber Gowenna sprach rasch weiter und gab ihm keine Gelegenheit zu antworten. »Glaubst du, daß wir eine Chance haben ?« fragte sie.
    Skar zögerte. Er wollte einfach nicht mehr darüber sprechen, aber er spürte, daß er es mußte, wenn er nicht wirklich grob werden wollte. »Eine Chance? Gegen den Dronte? Niemand hat ihn jemals besiegt.« »Aber einige sind ihm entkommen.«
    Skar lächelte. »Wer hat das gesagt? Rayan?«
    »Nein. Ich... habe Geschichten gehört.«
    »Du wählst das richtige Wort«, sagte Skar. »Geschichten. Manche behaupten es, aber ich glaube nicht, daß es wahr ist.«
    »Wir wüßten kaum, daß es so etwas wie einen Dronte überhaupt gibt, wenn jede Begegnung mit ihm tödlich enden würde«, beharrte Gowenna.
    »Das mag sein — aber wenn, dann hatten die anderen bessere Chancen. Wir machen kaum noch Fahrt. Und er holt immer mehr auf.« Gowenna schwieg einen Moment, und als sie weitersprach, klang ihre Stimme
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