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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Kinder; nicht für fremde und schon gar nicht für eigene. Vielleicht — auch darüber hatte er nachgedacht, ohne zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen — war es auch nur Schutz; ein Mechanismus, mit dem er sich vor sich selbst schützte, eine instinktive Abwehr gegen die Gefühle, die da in seinem Inneren lauern mochten und die sein Leben noch komplizierter gemacht hätten, als es ohnehin war. Nein — alles, was er für dieses Kind, wenn überhaupt, empfand, war Mitleid, Mitleid mit diesem noch ungeborenen Wesen, das im Grunde von ihnen allen die geringste Schuld trug. Nach allem, was Vela getan hatte, war dies vielleicht der größte Frevel gewesen. Dieses Kind war nicht aus Liebe entstanden, nicht einmal aus Unachtsamkeit oder — und auch das hätte er verstanden und, wenn auch mit Abscheu, akzeptieren können —, um ihn zu erpressen, sondern aus dem einzigen Grund, ihre Macht zu vergrößern. Es wäre zu einer Waffe geworden, einem finsteren Gott des Bösen, ein Dämon, der das Grauen längst vergangener Zeiten wieder hätte auferstehen lassen können.
    Aber soweit würde es nicht kommen. Vielleicht war es nicht einmal ein Zufall, daß der schwarze Killersegler ausgerechnet jetzt aufgetaucht war und sie jagte. Skar glaubte nicht an Götter und Dämonen, aber er war auch nicht so vermessen, sich allen Ernstes einzureden, daß es sie nicht doch geben konnte, nur weil er nicht an sie glaubte. Wenn es sie gab — da war er ganz sicher —, dann hatten sie den Dronte geschickt; Feuer gegen Feuer, die größte Geisel der Meere gegen eine Gefahr, die noch nicht einmal geboren war. Die Errish hatte selbst die Götter herausgefordert, und letztlich war es einer von ihnen gewesen, der sie besiegt hatte. Nicht er. Er war nur ein Werkzeug.
    Vela bewegte sich. Der graue Stoff ihres Gewandes raschelte, und für einen Moment begegneten sich ihre Blicke. Ihre Augen waren leer; die winzigen, zu schwarzen Punkten zusammengezogenen Pupillen wirkten verschleiert und schienen direkt durch ihn hindurchzusehen. Wahrscheinlich nahm sie weder ihn noch ihre Umgebung wirklich wahr. Skar wußte nicht, was in dem grauen Pulver war, das Gowenna ihr regelmäßig in die Mahlzeiten mischte, aber er hatte am eigenen Leib gespürt, daß sich die Errish auf das Mischen von Drogen verstanden.
    Ihr Geist war gefangen. Vielleicht schlief sie, vielleicht stand sie die Qualen der Hölle durch — er wußte es nicht, und er wollte es auch nicht wissen. Die Kette, die ihren Geist gefesselt hielt, war mindestens ebenso stark wie die um ihren Arm.
    Del kam zurück, ließ sich fröstelnd neben einem der Kohlebecken niedersinken und rieb die Hände über der Glut aneinander. Sein Gesicht war vor Kälte gerötet. Er zitterte. Die sanitären Einrichtungen der SHAROKAAN waren eine einzige Katastrophe. Es war schon bei gutem Wetter eine Zumutung, seine Notdurft in einem nach drei Seiten offenen Drahtkorb außenbords der Reling verrichten zu müssen. Während eines Eissturmes wie dem, der das Schiff seit drei Tagen beutelte, blieb den Zuschauern selbst das schadenfrohe Lachen buchstäblich im Halse stecken.
    Skar stand auf, wandte sich zur Tür und suchte hastig nach festem Halt, als das Schiff von einer stärkeren Woge getroffen wurde und sich bedrohlich auf die Seite legte. Del grinste. Skar schenkte ihm einen bösen Blick, zerbiß einen Fluch auf den Lippen und ging hastig zur Tür. »Ich lasse dich in vier Stunden ablösen«, sagte er, während er den Schlüssel im Schloß herumdrehte und ihn sorgsam an den Haken zu-rückhängte.
    Del knurrte eine Antwort, rollte sich unter der Wand wie ein Hund zusammen und zog mit der linken Hand eine Decke heran. Kopfschüttelnd wandte sich Skar ab. Er beneidete Del keineswegs um seine Aufgabe. Verglichen mit den Temperaturen in der Mannschaftskabine war es hier unten warm, und trotzdem hatte er schon nach den wenigen Minuten, die er hiergewesen war, das Gefühl gehabt, selbst der Gefangene und nicht der Wächter zu sein.
    Mit einem letzten, abschließenden Nicken, das Del schon gar nicht mehr zur Kenntnis nahm, verließ er den Raum, legte den Riegel von außen vor die Tür und eilte durch den niedrigen Gang zurück zur Mannschaftskabine.
    Von Rayan und dem Veden war keine Spur mehr zu sehen, als er die Kajüte betrat. Sie waren wieder oben an Deck, wie fast immer, obwohl es dort für sie nichts zu tun gab. Nichts außer zu warten und den näher kommenden schwarzen Punkt am Horizont anzustarren. Aber Rayan
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