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Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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keuchte sie. »Du ...« Ihre Stimme versagte. Sie zitterte, krümmte sich wie unter Schmerzen und warf plötzlich den Kopf in den Nacken. »Tötet ihn!« schrie sie. »Tötet ihn!«
    Aber die beiden gewaltigen schwarzen Krieger hinter Skar rührten sich nicht. Ihre Hände lagen noch immer wie stählerne Klammern auf Skars Schultern, doch es war kein Leben mehr in ihnen. Sie waren erstarrt, tot wie der Stein, den Vela in Händen hielt.
    Skar streife die Klauen der schwarzen Giganten ab, ging langsam auf die
Errish
zu und nahm ihr den Stein aus den Fingern. Sie wehrte sich nicht mehr. Mit dem Feuer in ihrer Hand war auch ihre Kraft erloschen.
    Er richtete sich auf, drehte den glitzernden Kristall nachdenklich in der Hand und wandte sich um. Es war alles so schnell gegangen, so einfach und undramatisch, daß er ... ja — er war beinahe enttäuscht. Aber er fühlte keine Angst. Es war vorbei, und in ihm war nur jene betäubende, schmerzhafe Leere, die er oft nach einem Kampf oder einer verlorenen Schlacht verspürt hatte.
    Vor ihm begann sich ein Schatten zu formen: Nebel, die aus dem Nichts kamen, einen gewaltigen schwarzen Umriß bildeten und zu einem Körper wurden. Es sah aus wie ein Erscheinen aus dem Nichts, aber es war nicht so. Er war die ganze Zeit bei ihm gewesen, unsichtbar und wachsam. Er hatte gelauert, aber nicht auf ihn, sondern auf das, was jetzt geschehen war, auf seine Chance, auf die Möglichkeit, seine und Skars Kräfe zu vereinen. Auf einen Moment der Unaufmerksamkeit.
    Skar war weder überrascht noch erschrocken. Er hatte es gewußt im gleichen Moment, in dem er begriffen hatte, daß die Hornkrieger nicht mehr kommen würden. Sekundenlang blieb er reglos stehen und musterte den gewaltigen schwarzen Wolf. Es war das erste Mal, daß er das Tier wirklich sah. Damals in Combat hatte er nicht mehr als einen flüchtigen Blick erhascht, und später war er ihm nur als Schatten, als huschender Schemen in der Nacht und dunkler Todesbote begegnet. Jetzt, als sie sich gegenüberstanden, sah er, daß er schön war. Sein schwarzes Fell glänzte wie polierter Marmor, und unter der Haut zeichneten sich perfekt geformte, kräftige Muskeln ab. Skar war niemals einem Wesen begegnet, bei dem sich Kraft und Eleganz auf solch perfekte Weise vereinigt hätten.
    Er verspürte weder Furcht noch Schrecken, als er sich dem Wolf näherte. Das Tier stand reglos vor ihm, ein Gigant aus Muskeln und ungebändigter Kraf, starr, ohne zu atmen, ohne auch nur die winzigste Bewegung zu machen. Sein Henker, der ihn gehetzt hatte bis ans Ende der Welt und ihn jetzt gestellt hatte. Aber das einzige, was Skar fühlte, war Erleichterung. Er betrachtete den Tod jetzt nur noch als Erlösung.
    Zwei Schritte vor dem Wolf blieb er stehen, legte den Stein ins Gras und richtete sich wieder auf. Es war nicht mehr als ein Symbol. Combats Wächter hatte die Macht, die der Stein gehabt hatte, längst wieder an sich genommen, und der Stein war jetzt nicht mehr als ein glitzerndes, wertloses Ding.
    Der Wolf kam langsam näher. Die mächtige schwarze Schnauze senkte sich, berührte den Stein und rollte ihn wie ein Spielzeug durch das Gras. Der Blick der dunklen Augen des Wolfes bohrte sich in den Skars. Und hinter Skars Stirn begann eine Stimme ein lautloses Wort zu formen, ein Wort in einer Sprache, die so alt war wie diese Welt und das er trotzdem verstand. Es war nur dieses eine Wort, aber es erklärte alles:
    HERR
    Und jetzt, endlich, begriff er.
    Vela lag im Gras und weinte, als er zu ihr zurückkehrte. Sie war verkrümmt, als hätte sie Schmerzen. Die Hände lagen schützend auf ihrem Leib. Skar kniete neben ihr nieder, hob sie vorsichtig auf und legte die Hand unter ihr Kinn. Sie machte eine schwache Abwehrbewegung, fast als hätte sie Angst, daß er sie schlagen könnte. Ihr Blick flackerte, als sie die Augen öffnete und ihn ansah.
    Skar spürte wieder jenes seltsame zärtliche Gefühl in sich und widerstand im letzten Moment der Versuchung, die Hand zu heben und ihre Wange zu streicheln. Er wußte jetzt, daß es nichts als Mitleid war. Es war niemals mehr gewesen.
    »Es ist vorbei«, sagte er.
    Velas Blick löste sich von seinem und richtete sich auf den Wolf. Skar sah den Schrecken in ihren Augen und spürte, wie sich ihre Fingernägel in seine Haut gruben.
    »Keine Angst«, murmelte er. »Er wird dir nichts tun.« Jetzt nicht mehr, fügte er in Gedanken hinzu. Das Ding, das von Vela Besitz ergriffen hatte, war vernichtet. Weder seine Kraft
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