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Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sie hatte unrecht gehabt. Die Schuld an dem, was jetzt geschah, traf nicht ihn und auch nicht sie. Nicht mehr. Sie bestimmten beide nicht mehr, was geschehen würde. Schon lange nicht mehr.
    Er senkte den Blick und wandte sich ab, soweit es der unbarmherzige Griff der Hornkrieger zuließ. Unten im Tal begannen sich die Rebellen zu formieren. Der Schneesturm hatte vollkommen aufgehört, und die weiße Decke war schon nach Minuten von Tausenden von Füßen und Hufen zertrampelt und zu braunem Matsch geworden. Er versuchte einen Blick zur Höhle der Daktylen zu werfen, aber ihr Eingang war zu weit entfernt, als daß er mehr als hektische Aktivität hätte erkennen können.
    Skar versuchte jedes Gefühl auszuschalten und nur noch ein Krieger zu sein, der dem Verlauf der Schlacht zusieht. Er erkannte eine Anzahl graugekleideter, huschender Schattengestalten zwischen den Quorrl, und einmal meinte er, für Sekunden einen hünenhaften gepanzerten Mann zu erblicken, war sich aber nicht sicher, ob es wirklich Del war. Als er dort unten gewesen war, hatte ihn die Größe der Schlucht erstaunt, aber jetzt schien sie kaum auszureichen, um all die Krieger aufzunehmen, die sich dort zum Kampf formierten. Es waren Sumpfleute unter ihnen, sehr viele Sumpfleute. Gowenna mußte mehr als tausend Reiter aus Cosh mitgebracht haben — eine ungeheure Armee. Und doch ein Nichts gegen die Kräfte, die ihnen gegenüberstanden.
    »Sieh gut hin, Skar«, sagte Vela. »Du bist noch nie Zeuge einer totaleren Niederlage gewesen.«
    Skar wollte nicht antworten, aber Velas Worte weckten einen sinnlosen Zorn in ihm. »Ich habe gelernt, mich erst über einen Sieg zu freuen, wenn der Kampf vorbei ist«, knurrte er.
    Ein amüsiertes Lächeln spielte um die Lippen der
Errish.
»Es wird nicht lange dauern«, sagte sie. »Sieh hin.«
    Skar gehorchte. Vielleicht hätte er sich jetzt umwenden und gehen sollen, aber das wäre ein Verhalten gewesen, das in seiner Lage allerhöchstens lächerlich gewirkt hätte.
    Die Rebellen formierten sich zu drei Gruppen — zwei Trupps von je tausend Mann, die Hälfte davon zu Pferd, die andere zu Fuß; eine dritte, kleinere, bestand nur aus Reitern und schloß sich hinter den beiden großen Einheiten zusammen.
    »Das gilt uns«, sagte Vela amüsiert. »Mein Respekt. Sie haben immerhin erkannt, daß wir nur wenige sind.« Sie lachte. »Aber ich fürchte, wir sind nicht so wehrlos, wie deine Freundin und Del glauben.« Sie gab einem ihrer Begleiter einen Wink. Der Mann entfernte sich hastig und kam wenige Augenblicke später zurück, ein zusammengeschobenes wuchtiges Fernglas in der Hand. Vela nahm es entgegen, zog es auseinander und setzte es sich an die Augen.
    »Tatsächlich«, murmelte sie, nachdem sie eine Weile hindurchgesehen hatte. »Sie sind dabei.« Sie setzte das Glas wieder ab, wog es nachdenklich in der Hand und wandte sich an Skar. »Du kennst sie — ist es nun Heldenmut, oder will sie sich nur den Triumph nicht nehmen lassen, mich selbst zu töten?«
    Skar schwieg. Vela trat auf ihn zu, hob die Hand, um ihm das Glas zu reichen, und überlegte es sich im letzten Augenblick anders. »Laßt sie herankommen«, sagte sie mit erhobener Stimme. »Vernichtet die Krieger, aber laßt die Frau und den Satai am Le-
    ben.«
    Skar fuhr auf, aber einer seiner Bewacher riß ihn mit einer blitzschnellen Bewegung zurück.
    »Schone deine Kräfte«, sagte Vela gelassen. »Verfluche mich ruhig, wenn es dir Erleichterung verschafft. Aber streng dich nicht an — der interessanteste Teil steht uns noch bevor.«
    Skar bäumte sich verzweifelt auf, doch der Griff des Dämonenkriegers lockerte sich nicht um einen Millimeter. Skars Bemühungen schienen den Druck der unmenschlich starken Hände sogar noch zu verstärken.
    Vela sah wieder nach Süden. Die beiden großen Heeresgruppen der Rebellen hatten mit dem Aufstieg aus dem Tal begonnen.
    Aber sie rückten langsamer vor, als Skar erwartet hatte. Vielleicht fanden die Pferde auf dem spiegelglatt gefrorenen Boden keinen rechten Halt; vielleicht hatten auch der tagelange Sturm, die Kälte und die zyklopischen Gewitter, die Velas eigentlicher Streitmacht wie unsichtbare apokalyptische Vorboten vorausgeeilt waren, ihre Kräfe schon soweit erlahmen lassen, daß sie zu keinem größeren Tempo mehr fähig waren. Skar versuchte, die Geschwindigkeit der beiden Heere abzuschätzen — wenn die Rebellen ihren Vormarsch nicht sehr bald beschleunigten, dann würde der entscheidende
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