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Entsorgt: Thriller (German Edition)

Entsorgt: Thriller (German Edition)

Titel: Entsorgt: Thriller (German Edition)
Autoren: Joseph D'Lacey
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Bewegung bemerkt zu haben.
    Ich blicke hinüber.
    Es sind drei von ihnen.
    Die Köpfe lauschend schräg gelegt, die Kleidung zerrissen oder ganz nackt, überall sichtbare Anzeichen von Verwesung. Rippen ragen aus zerfetzten T-Shirts. Lippenlose Münder grinsen. Lidlose, grotesk verdrehte Augäpfel starren ins Leere. Sie geben raschelnde Geräusche von sich, sobald sie sich bewegen. Es ist kein Atmen, sondern ihre ausgedörrte, tote Haut. Sie sind aufgeregt, hungrig.
    Drei.
    Zu viele, selbst mit dem Vorteil der Überraschung auf meiner Seite.
    Ich werde mich flach auf den Boden legen und über den Rasen robben müssen. Und dabei immer wieder stoppen, um mich zu vergewissern, dass sie mich nicht entdeckt haben. Was tun sie hier? So viele an einem Ort. Am falschen Ort. Gärten wie dieser sollten leer sein. Sie sollten sicher sein.
    Krank vor Angst, mit zitternden Händen, drücke ich mein Gesicht ins Gras und krieche langsam vorwärts.
     
    Tamsin Doherty rollt sich im Ehebett herum. Auf das Stück Laken, das sich zwischen ihnen erstreckt, verirren sie und Kevin sich nachts nur äußerst selten. Auf der anderen Seite dieser Kluft ragen die Umrisse seines Rückens empor. Eine wächserne Patina aus Schweiß liegt auf ihrem Haaransatz, durchsichtige Stecknadelköpfe oberhalb ihrer Lippen. In den schwangeren Bäuchen ihrer geschlossenen Augenlider strampeln zwei Augenföten. Plötzlich schnappt sie nach Luft, ihre Finger krallen sich ins Leinen.
    Das Gebäude ist hoch. Von Menschenhand erbaut, ragt es turmähnlich in den Himmel. An manchen Tagen verschwinden die oberen Etagen in den Wolken. Sie weiß, dass es hier einmal Menschen gab, aber jetzt sind sie verschwunden. Nur dieses Gebäude ist noch da, als wäre es das letzte auf Erden. Oder das erste.
    Sie sieht von oben darauf herab, als ihr etwas auffällt. Auf dem nackten, flachen Betondach bewegt sich etwas. Schon lange bevor sie nah genug ist, um es wirklich erkennen zu können, weiß sie, was es ist. Die Menschen sind alle weg, aber sie haben ein armes, nacktes Baby zurückgelassen. Trotz des unbestimmten Gefühls, schon viele Leben gelebt zu haben, hat sie noch nie ein derart einsames Wesen gesehen. Vielleicht ist es mit ihm wie mit dem Paradoxon des Gebäudes. Vielleicht ist es nicht das letzte Baby auf Erden, sondern das erste.
    Das Baby krabbelt über das Flachdach des Wolkenkratzers. Um das Dach herum zieht sich eine niedrige Mauer mit einem Geländer, aber das Baby würde, sollte es die Brüstung finden, problemlos durch die Streben hindurchpassen. Und es krabbelt ziemlich gut. Es macht den Eindruck, als könne es sich mit Leichtigkeit an der Mauer hochziehen. Sie will näher heran, um dem Baby sicher auf den Erdboden zu helfen, kann es aber nicht. Sie ist bloß als Beobachter hier. Je weiter das Baby krabbelt, desto entschlossener wirkt es. Es ist nackt. Seine Hände und Füße haben da, wo sie über den kalten Beton schaben, dicke Ballen entwickelt, so dick wie die Pfoten von Wölfen und Löwen.
    Das Baby findet die Tür zur Treppe nach unten, weiß aber noch nicht, wie man diese öffnet. Und selbst wenn, es käme ohnehin nicht an die Klinke heran. Es schlägt seinen Kopf dagegen, und als die Tür sich nicht öffnet, krabbelt es beharrlich weiter.
    Das Baby weint nicht.
    Manchmal endet Tamsins Traum an dieser Stelle. Trotzdem wacht sie klitschnass auf, trocken schluckend, eine Hand über dem Herzen und eine über dem Uterus verkrampft.
    Das eine so leer wie das andere.
    Neben ihr schläft Kevin Doherty tief und fest.

3
     
    Eins neben dem anderen reihten sie sich an den Wänden in Masons Haus, bedeckten sie nahezu vollständig, so sehr einer Tapete ähnelnd, dass er sie kaum noch bemerkte. Sie waren wie Erinnerungen aus dem Leben eines anderen, die Geschichte eines anderen. Sein bärtiges Gesicht war auf keinem von ihnen zu finden. Manchmal ertappte er sich dabei, wie er eines von ihnen anstarrte. Er versuchte sich zu erinnern, ob dieser Moment wirklich so gewesen war, wie die Kamera ihn festgehalten hatte. Er wusste nur zu gut, dass Kameras wie Menschen waren: Sie erzählten niemals die Wahrheit. In jedem dieser geraubten Augenblicke geschah so viel. Er hatte bloß einen kleinen Knopf drücken müssen, und der Diebstahl war vollendet gewesen. Aber das meiste davon war der Kamera entgangen. Vor allem die Herzen der Menschen, die er fotografiert hatte. Diese Bilder gaben zwar vor, alles getreulich eingefangen zu haben. Doch so überzeugend ein Foto auch sein
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