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Entscheide dich, sagt die Liebe

Entscheide dich, sagt die Liebe

Titel: Entscheide dich, sagt die Liebe
Autoren: Siri Goldberg
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Stormy Weather. Wie gut der Song zum venezianischen Wetter und zu ihrer eigenen Stimmung passte, wurde ihr erst bewusst, als das Intro zu Ende ging. Sie stellte sich Betty Rosenblatts dunklen Mezzosopran vor und versuchte, dem Klavier einen ähnlichen Klang zu entlocken. »Don’t know why there’s no sun up in the sky, stormy weather«, sang Clara innerlich den Text mit. »Since my man and I ain’t together, keeps rainin’ all the time …«
    Prompt spielte ihr Gehirn die passenden Bilder dazu. Sie sah Daniele am Flughafen, sah sein Gesicht näher kommen, erlebte zum tausendsten Mal den Kuss. Ärgerte sich über sich selbst und fragte sich zum tausendsten Mal, warum Gefühle so trügerisch waren. Warum verliebte der eine sich rettungslos, während der andere gar nichts empfand?
    Als Paolo ihr von Danieles Beziehung zu dieser Sofia erzählt hatte, war ihr vor Enttäuschung übel geworden. Fast hätte sie es nicht geglaubt. Nicht nach diesem Kuss! Doch kurz darauf hatte sie ihn am Bahnhof gesehen. Sie hatte ihre Mutter begleitet und mit ihr auf den Zug gewartet, der verspätet war. Als ihr Blick auf den gegenüberliegenden Bahnsteig fiel, entdeckte sie eine schlaksige Gestalt. Zerwuscheltes Haar, kaffeebraun wie die Augen. Eindeutig Daniele, der dem soeben einfahrenden Zug entgegenblickte. Wenige Minuten später beobachtete Clara mit angehaltenem Atem, wie eine wunderschöne junge Frau mit kastanienbraunen Locken ausstieg und auf ihn zuflog. Sie umarmten einander, als hätten sie sich jahrelang nicht gesehen. Peinlich berührt hatte Clara den Blick gesenkt und sich hinter ihrer Mutter verschanzt, um nicht auch noch den Kuss der Liebenden mit ansehen zu müssen. Obwohl der Vorfall nur bestätigte, was sie schon wusste, hatte er gewaltig geschmerzt. Und die Erinnerung daran schmerzte noch immer. So sehr, dass sie einen Akkord verfehlte und in eine falsche Tonart rutschte.
    Vincenzo lachte auf.
    Sie entschuldigte sich mit einem Schulterzucken und modulierte in die Ausgangstonart zurück. Konzentriere dich, wies sie sich selbst zurecht.
    Andrea kam mit einem Tablett mit vollen Weingläsern bei ihr vorbei. »Vincenzo sagt, du sollst was Fröhlicheres spielen«, raunte er ihr zu.
    Aber ihr fiel beim besten Willen nichts Fröhliches ein und so leitete sie zu Autumn Leaves über.
    Vincenzo stöhnte, vermutlich weil sie wieder einen melancholischen Song gewählt hatte. Clara beachtete ihn nicht weiter.
    »I see your lips, the summer kisses …« Wieder brannte Danieles Kuss auf ihren Lippen. Das Gefühl seiner rauen Haut auf ihrer glatten. Die Erinnerung an weiche Knie und den Geschmack milchiger Haselnüsse. Und schließlich Wut über ihre Unfähigkeit, zu vergessen.
     
    Als sie am Conservatorio Benedetto Marcello vorüberwateten, klapperten Danieles Zähne im Takt der Bläserserenade, deren Klänge aus einem der oberen Stockwerke herunterwehten. Er war klatschnass. Aber Franca musste ihn ja unbedingt zu ihrem Lieblingsort schleifen, dem Campo Santo Stefano.
    »Es gibt nun mal nichts Schöneres, als vor dem Café zu sitzen, die Touristen zu beobachten und den Tauben dabei zuzusehen, wie sie dem Cagalibri auf den Kopf scheißen.« Sie warf ihre Lockenmähne zurück und grinste.
    »Bei diesem Wetter jagt man keine Taube auf einen Denkmalkopf. Und die Stühle des Cafés sind vermutlich fortgespült worden«, maulte er. Das stimmte nicht ganz. Denn die Plastiksessel waren bereits letzte Woche in ihr Winterquartier geräumt worden, als es zu kalt geworden war, um im Freien zu sitzen.
    »Dann lass uns eben hineingehen«, sagte Franca. Aber das Café war geschlossen und der fluchende Besitzer damit beschäftigt, die Barriere aus Sandsäcken zu erhöhen, die das Hochwasser bereits überwunden hatte, um den Teppichboden in seinem Etablissement zu durchtränken.
    »Was hab ich gesagt!« Daniele rollte mit den Augen.
    »Schon gut, mein Herz. Suchen wir uns einfach ein anderes Café.« Sie schüttelte sich den Regen aus dem Haar und schritt schneller aus.
    Danieles Handy summte. Er wollte den Anruf wegdrücken, da sah er Paolos Namen aufblinken, blickte sich entschuldigend zu Franca um und nahm das Gespräch an. »Wie geht’s dir, alter Knabe? Wie war die Hochzeitsreise und seit wann seid ihr wieder im Lande?«
    »Schon seit zwei Wochen. Ich wollte mich längst bei dir melden, aber ich hatte geschäftlich viel um die Ohren.« Paolo räusperte sich. »Na ja, so viel auch wieder nicht. Ehrlich gesagt habe ich mich vor diesem Anruf
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