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Entscheide dich, sagt die Liebe

Entscheide dich, sagt die Liebe

Titel: Entscheide dich, sagt die Liebe
Autoren: Siri Goldberg
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großen Maestro von dem überhöhten Altar schubste, den seine Fans ihm nach seinem Tod errichtet hatten.
    Anfangs war es ihr schwergefallen. Es hatte sich angefühlt, als würde sie die Vergangenheit ein zweites Mal aufrollen und ein zweites Mal all die schmerzhaften und ungeheuerlichen Entdeckungen machen. Und als wäre das nicht genug, kamen noch die Stimmen von Dillinger und anderen sogenannten Freunden dazu, die sie davor warnten, zur »Nestbeschmutzerin« zu werden. Aber sie ließ sich nicht von ihrem Plan abbringen, sammelte Fakten, besprach Tonbänder, die Simon später in Worte fasste. Mit jeder Erinnerung, die sie sich abrang, ging es ihr besser. Sie begann zu verstehen, dass sie ihren Vater trotz der Verbrechen, die er begangen hatte, nicht hassen konnte. Er war ein Teil von ihr, den sie akzeptieren musste, wenn sie auch niemals akzeptieren würde, was er getan hatte. Mit ihrem Vorsatz, die Vergangenheit aufzuarbeiten, konnte sie das Geschehene nicht wiedergutmachen. Aber sie konnte dazu beitragen, dass die Wahrheit ans Licht kam und nicht wieder vergessen wurde.
    Und wie es aussah, wurde ihr Mut belohnt. Obwohl das Manuskript noch nicht ganz fertig war, hatte bereits ein großer Verlag sein Interesse bekundet und Simon und ihr einen lukrativen Vertrag angeboten, der sie auf dem Weg zur finanziellen Unabhängigkeit einen großen Schritt weiterbringen würde.
    Wenn sie nicht arbeitete, übte, Tonbänder besprach oder fertige Kapitel gegenlas, versuchte Clara, das Versprechen einzulösen, das sie Jim Rosenblatt gegeben hatte. Der Klimt war bereits in seinen Besitz übergegangen. Anhand der Aufstellung über Schlomos Gemäldesammlung und mithilfe der Abteilung für Restitutionsangelegenheiten der israelitischen Kultusgemeinde in Wien war es ihr zudem gelungen, zwei weitere Bilder ausfindig zu machen. Ein bekannter Kunstsammler hatte sie ihrem Vater zu einem Dumpingpreis abgekauft. Nach seinem Tod vermachte er sie – neben mehreren anderen Gemälden mit vermutlich ähnlich dubioser Herkunft – einem Wiener Museum. Bis auf den heutigen Tag wurde der Kunstsammler als Mäzen gefeiert. Trotz eindeutiger Beweislage sperrte sich das Museum gegen die Rückgabe der Bilder. Clara konnte nur hoffen, dass Jims Anwalt einen langen Atem hatte und die Gerechtigkeit siegen würde.
    Die Vorstellung, wie viele Kunstwerke in Museen oder Privatsammlungen hingen, die ihren jüdischen Besitzern abgepresst oder gestohlen worden waren, hatte Clara auf eine großartige Idee gebracht. Sie hatte einen Verein gegründet, der den Nachkommen der Opfer unbürokratisch zu ihrem Recht verhelfen sollte. Dabei hatte sie die Unterstützung von Madison Black gewonnen, die inzwischen Minotti hieß und ein ausgesprochen großzügiger Mensch war.
    Clara war froh, dass Madison und Paolo zusammengefunden hatten. Madison passte mit ihrem Hang zu Luxus in die Ca’ Minotti wie ein Edelstein in seine Fassung. Dabei war sie unkompliziert, erfrischend amerikanisch und verstand sich bestens mit Paolos Mutter. Und sie liebte Paolo über alles. Hoffentlich weiß er es zu schätzen, dachte Clara. Sie schrak aus ihren Gedanken hoch, als sich eine kräftige Hand von hinten auf ihre Schulter legte.
    »Na? Schmeckt es dir nicht?« Vincenzos Mutter baute sich vor ihr auf und blickte prüfend auf den Teller.
    Geschwind steckte Clara sich den letzten Bissen in den Mund und küsste ihre Fingerspitzen, um Anna zu zeigen, wie gut sie gekocht hatte.
    Die alte Frau grinste. »Nudeln machen glücklich, hat meine Mutter immer gesagt. Aber Crespelle«, sie zwinkerte verschwörerisch, »Crespelle sind gut für die Liebe.« Sie gab Clara einen Klaps und watschelte in ihre Küche zurück.
    Clara verdrehte die Augen. Dass sie aufgepäppelt werden sollte, war schon schlimm genug. Aber die ständigen Anspielungen auf ihr Singleleben nervten sie gewaltig. Als ob Vincenzos Mutter sie verkuppeln wollte! Zum Glück war Vincenzo viel zu alt für Clara und jemand anderes nicht in Sicht. Als sie »jemand anderes« dachte, flimmerte eine Vision von Kaffeeaugen und rissigen Lippen über ihren inneren Bildschirm. Sie verscheuchte die Erinnerungen, sprang auf und setzte sich ans Klavier.
     
    Paolo konnte es nicht erwarten, seine Freude mit jemandem zu teilen. Als er Madison nach Hause kommen hörte, sprang er vom Schreibtisch auf und stürzte hinaus. »Principessa!«, flötete er durchs Treppenhaus und lief ihr entgegen. Im piano nobile trafen sie aufeinander. Er riss sie in die Arme
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