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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut
Autoren: Michael Kibler
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notierte die Adresse und eine Mobilfunknummer, dann sagte sie: »Gut, Frau Selderath, dann wird ein Kollege Sie jetzt nach Hause bringen. Wenn wir noch Fragen haben, melden wir uns bei Ihnen.«
    »Ich bin mit dem Fahrrad da, danke.«
    Frau Selderath verabschiedete sich, und Margot ging auf das Haus zu.
    Horndeich war hundemüde, und daran hatte auch der Kaffee im Büro nicht viel geändert. Nachdem seine Tochter nach dem Zwei-Uhr-Häppchen auch noch schreiend auf das um 3.30 Uhr bestanden hatte, ebenso wie auf das um 5.45 Uhr, hatte er das Dudeln des Radioweckers eine Stunde später einfach in seine Träume eingebaut, anstatt aufzuwachen. Er träumte, er wäre in Nashville auf einem Open-Air-Festival. Carrie Underwood sang, sogar Emmylou Harris war dabei. Vielleicht sollte er in Zukunft besser einen Volksmusiksender mit Humf-tataa in seinem Radiowecker einstellen …
    Horndeich ging durch das Erdgeschoss des Hauses, in dem die Toten gefunden worden waren. Die Kollegen von der Spurensicherung hatten in dem Zimmer, in dem die Leichen lagen, bereits einen schmalen Gang freigegeben, durch den er sich bewegen durfte. Er trug einen weißen Schutzanzug mit hübschen blauen Überschuhen. Nicht gerade sexy, aber effektiv, wenn es darum ging, keine eigenen Spuren am Tatort zu hinterlassen.
    Während Baader, Taschke und ihr Team akribisch alle Kleinigkeiten fotografierten und dann einsammelten, verschaffte sich Horndeich zunächst einen groben Überblick. In eine Wand des Raumes war ein Tresor eingelassen. Das ihn verdeckende Gemälde – eine kitschige Sommerlandschaft – war zur Seite geklappt worden wie ein Fensterladen. Die Tresortür stand offen. Und der Tresor war leer.
    Unweit des Tresors lag ein Mann auf dem Boden. Selbst auf die Entfernung von mehreren Metern konnte Horndeich noch die Bewegung der weißen Larven wahrnehmen, die diesen Mann als Heimstatt erwählt hatten. Um den Toten, der auf dem Bauch lag, war eine getrocknete Lache dunkler Flüssigkeit zu sehen. Blut. Dieser Mann war eindeutig nicht an einem Herzanfall gestorben.
    In einer Ecke des Raumes, nicht weit von der Terrassentür entfernt, stand eine Sitzgarnitur. Auf einem der beiden Sofas saß eine Frau. Ihr Zustand glich der des Mannes. Dass es sich um eine Frau handelte, schloss er im Wesentlichen aus der Länge des Haars und der Bekleidung. Das Mobilteil eines Festnetz-Telefons lag auf dem Boden.
    Hinrich, der Gerichtsmediziner aus Frankfurt, beugte sich gerade über die Tote. Horndeich wunderte sich, denn er hatte Hinrichs Wagen nicht vor dem Haus stehen sehen. Der Mediziner fuhr den gleichen Wagen wie er selbst, einen roten Chrysler Crossfire, den er immer unmittelbar am Absperrband eines Tatorts abstellte. Dort hatte zwar auch diesmal ein Auto mit Frankfurter Kennzeichen gestanden, aber das war ein Toyota Prius gewesen. Martin Hinrich hatte vor gut zwei Jahren sein Leben gänzlich neu sortiert. Bauch weg, mehr Muskeln, eine attraktive Freundin, die offenbar auch etwas im Kopf hatte. Erstaunlich, dass sie es mit diesem Zyniker vor dem Herrn aushielt.
    »Und, können Sie schon was sagen?«, fragte er ihn.
    Hinrich drehte sich um. Seine Gesichtsfarbe glich eher der weißen Tapete als dem Beigeton des Sofas, und das wollte bei ihm echt was heißen. Für gewöhnlich parierte er die typische erste Ermittlerfrage immer mit einem zynischen Spruch. Daher rechnete Horndeich auch jetzt mit einem »Definitiv tot« oder einer ähnlich geistreichen Bemerkung. Doch der Zustand der Leichen – und besonders der Geruch – schien Hinrich jede Art von Humor ausgetrieben zu haben. »Ich denke, sie ist erstochen worden. Die Fliegen haben sich nicht nur auf das Gesicht gestürzt, um ihre Eier loszuwerden, sondern sich auch hier eingenistet.«
    Er deutete auf eine Stelle im Bereich des Bauches. »Da muss eine tiefe Wunde gewesen sein. Wenn auch nur wenig Blut geflossen ist. Höchstwahrscheinlich die einzige Stichwunde.«
    »War sie die Todesursache?«
    Hinrich erhob sich. »Was weiß ich. Das kann ich euch erst sagen, wenn ich die Tote auf meinem Tisch untersucht habe.«
    »Und der Mann?«
    »Der hat mehrere Stichwunden. Hier.« Hinrich deutete auf eine Stelle am Rücken. »So, wie das auf den ersten Blick aussieht, hat er die hier eingefangen, als er schon lag. Das käme dann fast einer Hinrichtung gleich. Und hier …«, er zeigte auf eine schwarze Stelle am Handgelenk, »… das dürften Abwehrspuren sein. Aber das kann ich im Moment auch nur annehmen, weil sich die
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