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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut
Autoren: Michael Kibler
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Tür zum letzten noch verbleibenden Raum.
    Horndeich hatte mit allem gerechnet, mit einem Raum für eine Modelleisenbahn, mit einer Bibliothek, mit einem Atelier. Aber nicht mit einem komplett eingerichteten Kinderzimmer. Vom blau gestrichenen Zimmerhimmel baumelten Sterne und ein großer Mond herab. Eine Wiege stand im Raum, ein Kinderbettchen an der Wand, direkt neben einer Wickelkommode. Daneben ein Kleiderschrank. Auch der Windeleimer fehlte nicht.
    »Die haben ein Kind?« Auch Margot war die Überraschung anzumerken. Horndeich öffnete den Kleiderschrank. Der Inhalt wirkte wie aus einem Geschäft für Babyausstattung. Auf den Millimeter genau waren die grünen und roten Strampler gefaltet und aufeinandergestapelt, Jäckchen, Tücher, Decken und Kissen ebenfalls exakt eingeordnet. Auf dem Boden des Schrankes standen drei Packungen Windeln für Neugeborene.
    Margot schaute in die Wiege, dann in das Kinderbettchen. Auch darin waren Decken und Kissen gefaltet, wie es der Zimmerservice eines Hotels nicht akkurater hätte hinbekommen können.
    »Das hat was Gruseliges«, meinte Horndeich. »Also bei uns sieht es nicht so aus. Das wirkt ja perfekter als in einem Möbelkatalog.«
    »Und wo ist das Kind?«
    Horndeich spürte, wie Adrenalin durch seinen Körper schoss. »Hier ist ein Kind in Gefahr!«, rief eine Stimme in seinem Inneren, wenn auch der rationale Teil seines Gehirns sagte, dass er hier kein lebendes Baby mehr finden konnte. Dennoch hechtete er ins Dachgeschoss. Er hoffte, dass ihm eine weitere grausige Enddeckung erspart bliebe. Und sein Wunsch wurde erhört: In den drei großen Räumen im obersten Stock des Hauses – zwei Gästezimmern und einem Abstellraum – fand er nichts Außergewöhnliches. Wie im ganzen Haus war alles aufgeräumt und am rechten Platz.
    Margot trat hinter ihn. »Ich glaube nicht, dass hier ein Kind gelebt hat. Ist dir der Staub auf den Möbeln nicht aufgefallen?«
    »Welcher Staub?«
    »Im Kinderzimmer lag der Staub ziemlich hoch. So als ob länger nicht mehr geputzt worden wäre.«
    »Na ja, da hat in den letzten zwei Wochen wohl auch keiner Staub gewischt.«
    »Ich glaube, das Zimmer hat schon länger keiner mehr betreten.« Margot griff zum Handy, schaute in ihre Notizen und wählte die Nummer von Jasmin Selderath. Die ging nach dem zweiten Klingeln an den Apparat.
    »Frau Selderath, hier ist noch mal Hesgart, Kripo Darmstadt. Ich hätte da noch eine Frage. Hatten die Aaners ein Kind?«
    Horndeich konnte die Antwort nicht hören.
    Margot bedankte und verabschiedete sich.
    »Und?«
    »Regine Aaner war schwanger, sagt die Freundin. Wohl im vierten oder fünften Monat.«
    »Na, dann waren sie auf den Nachwuchs ja schon erstaunlich früh bestens eingestellt.« Doch wenn man betrachtete, wie akkurat die beiden ihr ganzes Haus in Schuss gehalten hatten, war das vielleicht gar nicht so ungewöhnlich. »Gut. Dann lass uns nach unten gehen. Vielleicht haben die Jungs ja schon was Neues rausgefunden.«
    Als Horndeich und Margot wieder ins Erdgeschoss kamen, fing Baader sie sofort ab. »He, ihr beiden – ich hab da was, das überhaupt nicht ins Bild passt.«
    Der Spurensicherer führte die Beamten in die Nähe der Terrassentür unweit der Stelle, an der der Tote gelegen hatte, den die Jungs vom Bestattungsinstitut dankenswerterweise bereits mitgenommen hatten. Baader deutete auf den Boden. Dort war der große Blutfleck nicht zu übersehen – ebenso die Glasscherben. »Seht ihr die Scherben?«
    Horndeich zuckte nur mit den Schultern, dann sah er Baader an.
    Der bückte sich und hob mit einer Pinzette ein Scherbenstück von der Größe einer Briefmarke auf.
    »Und?«, fragte er.
    »Mach es nicht so spannend«, nörgelte Horndeich.
    Margot antwortete bereits. »Da ist kein Blut dran.«
    Nun konnte auch Horndeich Baader folgen. Die Scherbe war einfach nur durchsichtig.
    Baader setzte den Gedanken fort: »Wenn das Opfer getötet worden wäre, nachdem die Scheibe eingeschlagen worden ist, dann müsste Blut auf dem Glas sein. Aber auf keiner der Scherben ist auch nur der winzigste, verdammte Blutstropfen.«
    »Das heißt, dass die Scheibe nach der Tat eingeschlagen wurde.«
    »Ja, und zwar eine ganze Weile danach. Das Blut muss bereits getrocknet gewesen sein.«
    Nun beteiligte sich auch Horndeich an den Schlussfolgerungen: »Dann hat also nicht der Mörder das Glas an der Terrassentür eingeschlagen – zumindest nicht unmittelbar vor der Tat. Und wenn ich dich vorhin richtig verstanden habe,
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